Veröffentlicht inNews

Half-Life gescheitert: Wie der Shooter-König als „ein Desaster“ fast eine Bruchlandung hinlegte

Geschichte wird immer von den Gewinnern geschrieben – so auch bei Half-Life. Wie Sierra rückwärts stolperte und Valve unabhängig wurde.

Bildmontage, in deren Fokus das durchgestrichene Lambda-Symbol und der Videospielheld Gordon Freeman aus Half-Life steht.
© Sierra Entertainment / Valve / @Nur Achmadi Yusuf - stock.adobe.com, Adobe Photoshop [M]

Rückblick: Die Story von Half-Life

Passend zum Start von Half-Life: Alyx bringen wir euch in Sachen Story auf den aktuellen Stand. Was ist in Black Mesa passiert, wer ist Dr. Wallace Breen und was genau ist City 17? Hier erfahrt ihr alles!

Heute leben wir als Gamer*innen in einer Welt, in der sich nahezu jede*r auf der Vertriebsplattform Steam herumtreibt – und Half-Life mitsamt Fortsetzungen und Mods wie Counter-Strike einen unnachahmlichen Stellenwert erreicht haben. Rückblickend hat es den Anschein, als wäre die Erfolgsgeschichte rund um Gabe Newell schon immer in Stein gemeißelt gewesen.

Doch die jüngste Nacherzählung einer Frau namens Monica Harrington zeigt, dass die Dinge für Valve deutlich unsicherer waren, als viele jemals geglaubt hätten. Dieses neue Rahmensetzung einer Insiderin zeigt jetzt: Ja, Valve hat sich seine Vormachtstellung in der Industrie erkämpft – was jedoch weniger mit Mythenbildung, mehr mit Marketing-Schachzügen und Risikobereitschaft zu tun hat.

Wie Half-Life ein Jahr vor Veröffentlichung auf der Kippe stand

Das ist die Geschichte von Monica Harrington, der ehemaligen Marketing-Chefin von Valve. Als ein neues Spiel mit dem etwas kryptischem Titel „Half-Life“ auf der E3 1997 noch Erfolge feiert, ist die Reaktionen der Spieletester*innen im darauffolgenden Sommer maximal mittelprächtig, wie PC Gamer die Geschichte nachzeichnet. Mehr noch: Die steigenden Kosten der Videospielentwicklung verschlingt gierig das Budget des noch jungen Studios Valve. Ein eindrückliches Zitat Harringtons, veröffentlicht auf Medium, verdeutlicht, wie ernst die Dinge standen. Sie sagt:

„Wenn Valve das Spiel veröffentlicht hätte, dass sie [zum damaligem Zeitpunkt] hatten, es wäre herausgekommen und still und heimlich verschwunden. All die von uns geleistete Arbeit wäre umsonst gewesen. […] Die ganzen, von uns eingestellten Menschen würden ihre Jobs verlieren – und wir unser investiertes Geld.“

Monica Harrington (ehemalige Valve-Mitarbeiterin)

Es war also ein Risiko sondergleichen, als Valve vor den durchwachsenen Rückmeldungen seiner Testspieler*innen stand und beschloss, sein Baby Half-Life mit eigenem, finanziellem Aufwand zu überarbeiten. Publisher Sierra war nicht bereit, nochmal Geld für eine Überarbeitung auf das Spiel zu werfen. Wie ist das aus heutiger Sicht zu bewerten? Einerseits hatte Sierra keine Glaskugel, konnte wohl kaum voraussagen, dass dieses Half-Life zu einem der großen Gewinner des Jahres 1998 und darüber hinaus avancieren würde. Andererseits rächte sich für Sierra die unterlassene, finanzielle Unterstützung.

Kaum zu glauben: So sah Half-Life ein Jahr vor seiner Veröffentlichung noch aus.

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von YouTube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

Half-Life im Kampfring: Das Duell Monica Harrington gegen Sierra

Als Folge der ausgebliebenen, monetären Unterstützung, rückt Harrington Developer Valve im Rahmen ihrer Marketing-Offensive in den Vordergrund, während „unser Publisher Sierra niemals genannt wurde“, wie sie zu einem prominent, im Wall St. Journal mit dem Titel „Storytelling-Computerspiel wird ein großer Hit für Valve“ veröffentlichtem Artikel, nacherzählt. Spätestens von dem Punkt an ist die Beziehung zwischen Valve und Sierra vergiftet.

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Reddit, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

Sie erinnert sich: „Im Wesentlichen lautete ihre Botschaft an uns: ‚Danke, das Spiel ist gut gelaufen, wir machen weiter’“, womit Sierra eine Strategie nach dem Motto „Spielt herausbringen und zügig weiterziehen“ verfolgte, während Valve nachvollziehbarerweise bemüht war, seinen Titel als nächste große Franchise an die Öffentlichkeit zu verkaufen. Harringtons Worte unterstreichen die dramatische Situation der damaligen Zeit:

„Es gibt ein alternatives Universum, in dem Half-Life nach der Veröffentlichung verschwunden ist, da es im Einzelhandel nicht mehr erhältlich ist […]. Wäre Half-Life gescheitert, hätte das Unternehmen [Valve] nicht überlebt. […] Und das wäre beinahe passiert, weil Sierra nicht wusste, wie sie mit einem Hit von der potenziellen Größe eines Half-Life umgehen sollten.“

Monica Harrington (ehemalige Valve-Mitarbeiterin)

Wie sich Valve und Sierra trennten – und von Half-Life

Ein Zukunftsszenario, das Harrington tunlichst vermeiden wollte – und daher radikal bei Sierra durchgriff. Wie sie berichtet, erklärte sie Sierra, Valve würde „von der Vereinbarung zurückzutreten und der Industrie, die Valve liebgewonnen hatte, zu zeigen, wie verkorkst Sierra wirklich war.“ Ein Schritt, der ungeachtet seiner Härte die gewünschte Wirkung zeitigte – nämlich in Form der bis heute unvergessenen Game of the Year-Edition von Half-Life.

Eine Bildmontage, die Vorder- und Rückseite der Game of the Year-Edition von Half-Life zeigt.
„Game of the Year Edition“ von Half-Life. Ein Trend in der Veröffentlichungsstrategie, der bei Blockbuster-Spielen bis heute fortbesteht. Credit: Valve / Sierra Entertainment

Und damit wäre das Drama hinter der strapaziösen Erfolgsgeschichte Half-Life noch nicht bis zu seinem Ende erzählt. Beispielsweise besaß zum damaligem Zeitpunkt Publisher Sierra noch die Rechte am intellektuellen Eigentum Half-Life. Darüber hinaus stellte Harrington damals die Prognose: „Alles, was ich mir ausmalen konnte, war, dass wir mit Valve über Jahre in den roten Zahlen schwimmen würden.“ Harrington griff zu einer ähnlichen Drohgebärde wie zuvor.

Sie kündigte gegenüber Sierra an, Valve würde die Gaming-Produktion gänzlich zugunsten eines Vertrags mit Amazon aufgeben, um das hochzuziehen, was aus zeitgenössischen Augen betrachtet wie die heutige Vertriebsplattform Steam anmutet. Harrington, mit den notwendigen Kontakten und Berufserfahrungen aus ihrer Zeit bei Microsoft hinterm Rücken, siegte mit ihrem Löwinnen-Schachzug – denn im Jahre 2001 erhielt Valve auch die Kontrolle über Half-Life zurück. Aber das ist eine andere Story, die in den Geschichtsbüchern steht.

Apropos Gordon Freeman & Co.: Erfahrt, wie Half-Life 1 & 2 mit Fotorealismus aussehen – befeuert mit KI.

Quellen: Reddit / @kuhpunkt, PC Gamer, Medium, The Wall Street Journal, YouTube / @alex88487

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.