Panzersteuerung wie aus den Gründertagen des Genres, eine gehörige Portion Nostalgie dank Pixel-Grafik und Rauschfilter, ein Geheimnis rund ums Jenseits, eine charismatische Protagonistin mit emotionaler Wunde – und obendrauf eingängige Rätsel: Heartworm begeisterte mich kürzlich mit genau den richtigen Bausteinen, blockiert längst meinen Blick auf ein Resident Evil 9.
Heartworm ist eines jener unabhängig produzierten Indie-Spiele, bei denen eine Vertrautheit mit den Wurzeln des Genres deutlich spürbar sind. Wenn ihr mit Heldin Sam durch eine schaurig-schöne Vorstadtsiedlung stolpert, dann wirkt das, als hätten Silent Hill, Alone in the Dark und Resident Evil ein uneheliches Kind in die Welt gesetzt – was das Sprachbild zum Kippen bringt, aber nicht den Spielspaß, denn ich mit der Demo hatte. Ein Retro-Horror, dessen Release sich Genre-Fans blutrot im Kalender anstreichen sollten.
Heartworm ist wie ein Mischwesen aus Silent Hill, Resident Evil und Konsorten
Stimmungsvoller könnte das Intro zur Demo kaum sein – und vollgestopft mit passgenauen, popkulturellen Anspielungen (entdeckt das Poster mit dem Schriftzug „I want to believe“!). Die Kamera fährt von der Ansicht einer Standuhr zurück; vier Uhr morgens schlägt der ältliche Zeitmesser. Eine freundliche Spinne krabbelt über das hölzerne Furnier der Uhr. Dann wandert die Kamera über einen mit vollgeschriebenen Blättern und Heften gepflasterten Schreibtisch – ein ovaler Spiegel am Tischende reflektiert uns Heldin Sam, in wenigen Metern Entfernung an einem Fensterplatz sitzend. Jetzt erhebt sich ihre Erzählerstimme, die uns durch das Intro trägt.
Die Frau entschuldigt sich zuerst bei uns – gehören Entschuldigungen eigentlich zum Bechdel-Test? –, oder, nein, sie entschuldigt sich bei einem nicht näher benannten Adressaten; wir erfahren, dass sich Sam in Foren und Chaträumen, Relikte aus den tiefsten 90ern, herumgetrieben hat – die Frau ist auf der Suche einem sagenumwobenen Haus, das die Kontaktaufnahme zu Verstorbenen ermöglicht. So heißt es. Dazu soll niemand, der jemals dieses mysteriöse Haus besucht hat, zurückgekehrt sein – anders darf es bei einem Gruselstoff, der das kleine Einmaleins beherrscht, nicht sein.
Sam möchte es jetzt den Unglücklichen gleichtun, bricht in dieses Herz der Finsternis auf – und damit wir mit ihr. Soweit zur erzählerischen Ausgangssituation von Heartworm. Was die Gameplay-Elemente anbelangt, treffen Moderne und Klassik aufeinander – oder eher: Panzersteuerung und Schulterperspektive. Denn während ihr mit dieser Tage verschrienen Tank Controls durch die Spielewelt rollt, wechselt ihr beim Zielen auf Gegner in die Schulterperspektive, wie sie etwa auch den Remakes zu den Resident Evils eigen ist.
Als Paparazzo gegen Lichtgestalten – nicht Zombies
Absolute Puristen dürfen die oben erwähnte Schulterperspektive auch abwählen. Dann visiert und schießt ihr wie damals, als Emily Hartwood im ersten Alone in the Dark durch Louisiana getigert ist. Schöne Komfortfunktion direkt zum Einstieg der Demo: Ihr wandert als Sam durch einen langen Gang, werdet dabei vom Spiel dazu aufgefordert, eure Präferenzen zu wählen. Grafik verpixelt, oder nicht; Panzersteuerung relativ zu der Spielfigur ausgerichtet, oder nicht; Zielen mit moderner Schulterperspektive, oder … na, ihr wisst schon.
„Zielen“ ist dann auch eine Besonderheit von Heartworm. Denn wo ihr in Resident Evil mit einer Pistole herumfuchtelt, oder in Silent Hill mit einem Rohr, hantiert ihr als Sam mit einer Fotokamera – geladen mit analogem Film. Wieso? Weil die Gegner in der Demo flackernde, humanoide Gestalten sind, bei denen ihr mit Lichtblitzgewitter – diese Floskel hat nie besser gepasst – das Licht auspustet.
Was die Atmosphäre angeht, hat Heartworm bei den Klassenbesten abgeschaut – und das ist auch gut so. Wenn ihr als Sam entlang solcher Straßen marschiert, die aussehen, wie aus Stephen Kings Lieblingsschauplatz Maine entlehnt, werdet ihr euch fühlen wie ein sich durch Nebelschwaden boxender James Sunderland. Die Nebelbänke gehen Heartworm zwar ab, dafür begegnet ihr in den Boden eingelassenen oder aufgetürmten Röhrenfernsehern, die unheilvolles weißes Rauschen verbreiten. The Ring lässt grüßen.
Kurze Demo mit viel Spielspaß – fast wie im originalen Resident Evil
In der Demo lauft ihr sogar in einen durch die Resident Evil-Spiele berühmt gemachten Speicherraum – ein Rückzugsort von den menschenartigen Fernsehflacker-Wesen, wo ihr einen neuen Speicherstand anlegen könnt. Wirklich abspeichern könnt ihr in der Demo dann zwar nicht, aber mit einer ungefähren Spielzeit von schlanken 30 Minuten, ist das kein Pferdefuß, über den ihr stolpern werdet. Damit wären die sehr offenkundigen Anspielungen an Resident Evil noch nicht abgefrühstückt: Pulsmesser im Inventar, Übergangsbildschirm beim Öffnen von Türen – sind alles ästhetische Verneigungen vor dem Genre-König.
Übrigens: Bei unseren englischsprachigen Kolleg*innen von The Gamer findet ihr ein sehenswertes Interview mit Vincent Adinolfi, dem Entwickler dieses Survival Horror-Geheimtipps.
Gestolpert bin ich auch nicht über das Kerzenrätsel in der Demo. Das hat, wie sich das für ein Rätsel gehört, erstmal Kopfkratzen ausgelöst. Aber die Brotkrumen zur Lösung waren überdeutlich verteilt, dass selbst ungeübte Spieler*innen dieses entspannte Gehirnjogging locker flockig meistern dürften. Und wenn nicht, gibt es noch immer genügen Playthroughs der Demo auf YouTube, anhand denen Hilfesuchende die Lösung Schritt für Schritt nachmachen können.
Unterm Strich bleibt zu sagen: Mit einer Spielzeit von gerade mal einer halben Stunde war Heartworm pickepackevoll mit allem, was das Herz von Fans klassischer Survival Horror zum Platzen bringt – positiv gesprochen. Verquere Kameraperspektiven, Munitionsknappheit und damit verbundenes Ressourcenmanagement, ein mit dem Tod in Verbindung stehendes Mysterium, ein*e emotional verwunderte*r Protagonist*in … ist alles dabei in den rund 1.800 Sekunden Spielzeit. Ja, das war eine pedantisch genaue Zeitangabe – weniger pedantisch nimmt es der Indie-Entwickler mit einem Release.
Der wird mit 2025 vage eingekreist. Und von mir aus kann der Kreativkopf hinter Heartworm dieses Release-Fenster auch bis zum letzten Kalendertag 2025 ausreizen – solange sich das Endprodukt genauso in mein Herz gruselt, wie damals Alone in the Dark anno 1992.
Apropos Schauergeschichten: Crow Country ist eine weitere Indie-Perle für Spieler*innen von Resident Evil & Co. – die längst verfügbar ist.
Quellen: YouTube / @Vincent Adinolfi, @The Gamer