Nach bald 14 Haupteilen in der Assassin’s Creed-Reihe, gerät leicht in Vergessenheit, dass die Story der Spiele eigentlich in der Gegenwart aufgehängt ist. Denn ja, in AC: Syndicate turnen wir durch das Viktorianische London, in AC: Unity stolperen wir durch die Französische Revolution – und nächstes Jahr werden wir mit einem Assassin’s Creed Shadows das feudale Japan durchpflügen.
Trotz aller historischen Verquickungen ist die Meuchelmörder-Reihe eigentlich in unserer modernen Gegenwart angelegt. Diese Rahmenhandlung haben jüngere Serienteile allerdings immer mehr ausgeklammert. Doch schon als Desmond Miles Handlungsstrang mit Assassin’s Creed 3 im Jahre 2012 auserzählt wurde, hat die Erzählung in der Jetztzeit immer mehr an Relevanz verloren. Diesem Umstand wird Assassin’s Creed Shadows nächstes Jahr aufgreifen – und das Gegenwarts-Storytelling wieder mehr ins erzählerische Zentrum rücken.
Assassin’s Creed Shadows: Wieder mehr im Hier und Jetzt verwurzelt
Am ersten November sprach Ubisoft-Vizepräsident Marc-Alexis Coté im Rahmen einer Veranstaltung des britischen Filmpreises BAFTA. Anlass war eine Masterclass mit dem Titel „17 Jahre Assassin’s Creed“, wo die praktischen Aspekte bei der Entwicklung der international produzierten AC-Spiele thematisiert wurden. Zugegen bei dieser Veranstaltung waren unsere englischsprachigen Kolleg*innen von Eurogamer, die berichten, was Coté zur weitläufigen, mehrere Spiele überspannenden Rahmenhandlung der Assassin’s Creed-Franchise zu sagen hatte – und wie sich Shadows in dieser Historie eingliedern wird.
Coté räumt ein, die Rahmenhandlung wurde über die Jahre immer mehr „zu einer Nebensache, zu einer Side Quest, anstatt integraler Bestandteil der Gesamterfahrung zu sein.“ Zugleich zeigt Coté Verständnis dafür, wenn „die Komplexität der 15 Jahre alten Geschichte [von Assassin’s Creed], verstrickt in parallel ablaufenden Handlungssträngen, eine mentale Herausforderung darstellt“. Er sagt weiter, gerade Neulingen von AC-Spielen dürften dieser Umstand einen Einstieg in die Reihe erschweren.
Mit der Veröffentlichung von Assassin’s Creed Shadows soll die in der Gegenwart angesiedelt Storyline zurückkehren – möchte zudem „die historische Reise nicht überschatten, sondern bereichern.“ Man könne „mit einem bedeutungsvollen Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart“ rechnen. Coté wird genauer, stellt in Aussicht, die moderne Handlung wolle „tiefergehende Themen wie Erinnerung, Identität und Autonomie erforschen“. Doch was genau wird das für Shadows bedeuten?
Assassin’s Creed: Shadows – mit festem Fuß in der Gegenwart
Man wolle mit der Erzählung aufzeigen, „wie uns die Vergangenheit prägt – und wie sich Kontrolle über diese Vergangenheit auf unsere Zukunft auswirkt.“ Was sich erstmal nach einer sich selbst in den Schwanz beißenden Ouroboros-Schlange anhört, dürfte dann thematisch unterfüttern sein mit Fragen zu „Freiheit gegenübergestellt mit Kontrolle, der Macht des Wissens und der Spannungen zwischen Individualität und Konformität“. Den erzählerischen Grundstein für diese Neuausrichtung soll nach Wortlaut Cotés also Assassin’s Creed Shadows legen. Doch weswegen rückte die gegenwärtige Handlungsebene eigentlich über die Jahre immer mehr in den Hintergrund?
„Als die Assassin’s Creed-Reihe geschaffen wurde, führten wir eine kühne und innovative Erzählstruktur ein, einen modernen Handlungsbogen rund um Desmond, der mit historischen Abenteuern verwoben war. Desmonds Reise stand im Mittelpunkt des modernen Konflikts, der die Suche nach mächtigen Isu-Artefakten – den Edenäpfeln – vorantrieb, die den Lauf der Geschichte verändern könnten. Mit seinem [Demonds] Tod am Ende von Assassin’s Creed 3 standen wir an einem kreativen Scheideweg. Es war eine herausfordernde Entscheidung, Desmonds Handlungsbogen zu beenden. Danach hatte die moderne Storyline ihre Mühe, Fuß zu fassen.“
Marc-Alexis Coté (Vizepräsident Assassin’s Creed bei Ubisoft)
Mit Layla Hassan wurde irgendwann ein Charakter eingeführt, der einen ähnlichen, erzählerischen Zweck erfüllte, wie Demonds zuvor. Doch wirklich beerben oder Demonds Stellenwert konnte Hassan nicht einnehmen. Laut Coté hat das auch viel damit zu tun, dass die Rahmenhandlung rund um Templer und Assassinen immer mehr zu einer Schnitzeljagd nach dem nächsten McGuffin wurde. Coté sagt: „Der Fokus auf Charaktere, auf der Jagd nach Isu-Artefakten, machte die Geschichte vorhersehbarer“
„Dadurch wurde der Konflikt zwischen Templern und Assassinen reduziert – und zwar auf eine geradlinige Hatz nach magischen Reliquien. Dieser Fokus kam einer Verschiebung dessen gleich, was immer schon Herzstück der Reihe war: Geschichte entdecken“, sagt er. Ob Ubisoft mit dieser narrativen Neuausrichtung ein erzählerisches Meisterstück gelingt, oder die alles überspannende Erzählung letztlich unter dem Gewicht von vierzehn Hauptspielen zusammenbricht, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt Spekulation.
Apropos historisch grundierte Action-Adventures: Syndicate hieß ursprünglich mal Victory – und war ein Stück düsterer als das, was Ubisoft Quebec & Co. 2015 in die Händlerregale warf.
Quellen: BAFTA, Eurogamer, Instagram / @acfirstciv