In den USA ist es gang und gäbe, in Deutschland meist eher eine „Kann“-Entscheidung: Das Geben von Trinkgeld in Restaurants, Hotels und bei anderen Dienstleistungen. Geht es nach Mike Ybarra, dem ehemaligen Präsidenten von Blizzard, könnte es dieses Praxis zukünftig auch bei Videospielen geben.
Obwohl Vollpreisspiele zum Release mittlerweile zwischen 70 und 80 Euro kosten, von Season Pässen, DLCs und Miktrotransaktionen ganz zu schweigen, würde Ybarra hin und wieder gerne noch tiefer in die Tasche greifen wollen – auf rein freiwilliger Basis natürlich. Wie das Geld zu den Entwicklern kommt, lässt er jedoch unbeantwortet.
Ex-Präsident von Blizzard: „Ich weiß, dass die meisten diese Idee nicht mögen werden“
„Ich habe schon eine Weile über diese Möglichkeit nachgedacht“, beginnt Mike Ybarra, der bis Anfang 2024 noch Präsident von Blizzard gewesen ist, seinen Beitrag auf Twitter. Er habe zuletzt sehr viel Zeit mit Singleplayer-Spielen verbracht und manche von ihnen hätten ihn ins „Staunen versetzt“, weshalb er am Ende gerne die Chance gehabt hätte, den Entwicklern noch zusätzlich Geld zu bezahlen.
I’ve thought about this idea for a while, as a player, since I’ve been diving into single player games lately.
— Mike Ybarra (@Qwik) April 11, 2024
When I beat a game, there are some that just leave me in awe of how amazing the experience was. At the end of the game, I’ve often thought „I wish I could give these…
„Am Ende des Spiels hatte ich oft den Gedanken: „Ich wünschte, ich könnte diesen Leuten noch zehn oder 20 Dollar geben, weil es mehr wert war als meine anfänglichen 70 Dollar und sie nicht den Versuch gewagt haben, mich jede Sekunde abzuzocken““, so Ybarra. Er bezieht sich dabei auf Spiele wie Horizon Zero Dawn, Red Dead Redemption 2, Elden Ring, God of War oder Baldur’s Gate 3.
Natürlich wisse er, dass bereits 70 Dollar eine Menge Geld ist, aber er hätte einfach gerne eine Art Trinkgeld-Option am Ende eines Spiels. „Mir ist übrigens klar, dass wir das Trinkgeld in allen anderen Bereichen satthaben“, führt er weiter aus, „ich sehe das aber anders als den Druck, Trinkgeld geben zu müssen, mit dem viele konfrontiert sind.“ Wie genau eine solche Möglichkeit aussehen soll, bei dem das Geld auch tatsächlich bei den Entwicklern landet und nicht beim Publisher, geht aus Ybarras Beitrag allerdings nicht hervor.
Viel Kritik am Trinkgeld-Vorschlag
Wenig überraschend bekommt Ybarra in den Kommentaren nur wenig positives Feedback für seine Idee. Viele sind von der Überlegung kaum angetan, denn immerhin würde man bereits sehr viel Geld für moderne Spiele bezahlen, während gleichzeitig große Firmen unzählige Entwickler entlassen. „Hast du so etwas schon einmal nach einem Kinobesuch gemacht? Oder im Theater? Hinter die Bühne gehen und den Schauspielern einen Haufen Geld geben? Das ist in vielerlei Hinsicht so falsch, vor allem, wenn es von jemandem kommt, der in der Branche so viel Erfahrung hat“, schreibt beispielsweise der Twitter-Nutzer Petros Kipouropoulos.
Andere werfen wiederum ein, dass es bereits Möglichkeiten gibt, ein Spiel auch nach dem Ende zu unterstützen: Man könnte einem Freund oder einer Freundin ein Exemplar kaufen, eine positive Nutzerrezension hinterlassen oder es einfach über die sozialen Netzwerke empfehlen. Bei manchen Indie-Spielen, wie etwa Deep Rock Galactic, würde es zudem bereits eine Art von Trinkgeld in Form von Supporter-DLCs geben, die man optional erwerben könnte.
Eine generelle Möglichkeit, Entwicklern ein Trinkgeld am Ende eines Spiels zukommen zu lassen, wird jedoch eher abgelehnt. Dabei dürfte es gewiss auch eine Rolle spielen, dass der Vorschlag von Ybarra kommt, dessen Ex-Arbeitgeber Blizzard erst Anfang 2024 unzählige Angestellte vor die Tür gesetzt hat.
Die Idee ist jetzt mal gar nicht mal so verkehrt. Denke wir sind uns einig, käme diese von Bobby Kottick, würden hier alle gleich freizügig das Portmonaie zücken... nicht?
Aber im Ernst, so nen ähnlichen Gedankengang verfolge ich schon länger. Im Fall von Baldurs Gate 3 z. B. habe ich entschieden, mir die Physische Version zu bestellen, auch wenn ich sie eigentlich niemals gebrauchen werde, aber eben weil mich dieses Game mehr als 1/3 Jahr mit über 580 Stunden bestens bei Laune gehalten hat, ist es mir das wert! Und da man es eh nur exklusiv bei Larian bestellen konnte, ist es eben wie n Double Dip Trinkgeld. Für mich stellt Larian als Gesamtunternehmen im Moment den ultimativen Service-Maßstab dar.
Btw wo wir ja von Mike Ybarra und ABK sprechen, ein Artikel vom letzten Jahr:
Ich hab über die Jahre von zu vielen Geschichten gehört, in denen etwa Publisher Entwicklerstudios über den Tisch zogen und die vereinbarten Royalties nicht gezahlt wurden, wo geschummelt und die tatsächlichen Erlöse und Verkaufszahlen nicht kommuniziert wurden.
Aktueller Fall zum Beispiel Square Enix und People Can Fly wegen Outriders, PCF hat keinen Cent an Royalties gesehen bislang, mutmaßlich weil der Break Even noch nicht ereicht wurde, aber die tatsächlichen Verkaufszahlen wissen sie nicht, die hält Square geheim. Zu Release vermeldete Square, sie seien zufrieden mit den Verkäufen von Outriders.
Der Publishingdeal zwischen beiden scheint derzeit wohl auf der Kippe zu stehen, sieht stark danach aus, dass PCF wieder Indie wird.
https://gameworldobserver.com/2021/08/1 ... quare-enix
https://tryhardguides.com/people-can-fl ... ial-terms/
Wenn selbst so etwas wie oben so viele Fallstricke mit sich bringt, dann hab ich erst recht null Vertrauen in so ein digitales Tipping System, das nur auf Vertrauensbasis mit einem gewinnorientierten und börsennotierten Konzern funktionieren soll.
Wie yopparai oben schon schrieb, im Anwendungsfall kann man davon ausgehen, dass nen dutzend Bürokratieabschläge verrechnet werden, und hinterher kommen paar Krümel bei den Beschäftigten an.
Die Verantwortlichen sollen ihre Leute einfach vernünftig bezahlen, dann muss man den Entwicklern auch nichts extra zustecken. Das ist doch pures Abschieben von Verantwortung.
Die Quelle von der dieser grandiose Vorschlag kommt macht mich skeptisch, dass entsprechende Bonuszuwendungen auch bei denen ankämen, die ich als Spieler unterstützen wollen würde. Als erstes ziehen sich vom Trinkgeld dann die Plattformbetreiber ihre 30% rein, dann geht das ganze nochmal durch die AAA(nach Belieben weitere A hier anfügen)-Publisher und am Ende gibt’s für die Entwickler einmal im Monat nen Obstkorb im Büro und ne neue Billo-Mikrowelle vom Aldi zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Ich hab ne total ulkige Idee: Bringt eure Scheißbudgets runter, macht kleinere Spiele mit besseren Ideen und weniger Hollywoodarschlöchern und zahlt ein halbwegs würdiges Gehalt. Also denen, die die Spiele machen und nicht wieder eurer oberen Führungsebene. Dann braucht‘s auch kein Trinkgeld. Ich hab als Konsument nicht die Verantwortung dafür, dass eure Mitarbeiter vernünftig entlohnt werden. Das fällt in euren Verantwortungsbereich. Wenn ich jetzt anfange Trinkgled zu zahlen wird man das eh nur zum Anlass nehmen, die Löhne noch weiter zu drücken (bei gleichbleibenden Preisen selbstverständlich).
Wenn dabei nicht wieder zuallererst die Mitarbeiter am unteren Ende der Nahrungskette drunter leiden würden würde ich ja sagen: Diese Kackbranche braucht mal wieder nen Crash.