Die Nominierungen der diesjährigen Game Awards sind da und während die Award-Show am 8. Dezember in greifbare Nähe rückt, werden die gekürten Spiele heiß diskutiert.
Im Rampenlicht stehen natürlich wie immer die sechs Anwärter auf den Titel „Spiel des Jahres“, bei denen dieses Jahr neben Blockbustern wie Elden Ring und God of War Ragnarök auch das kurzweilige Katzenabenteuer Stray zur Auswahl steht. Doch obwohl die meisten sich darüber streiten, ob Elden Ring oder Ragnarök nun ein Anrecht auf die Krone haben, liegt mein Augenmerk verwirrt auf ganz anderen Kategorien.
Manipulative Mikrotransaktionen in Reinform: Diablo Immor(t)al
Alleine die Existenz der Kategorie „Best Mobile-Game“ dürfte einigen Spielern bereits sauer aufstoßen, schließlich gibt es immer noch Menschen, die Zocken am Handy im Vergleich zum PC oder der Konsole nicht für voll nehmen. Ich hingegen finde die Kategorie zwar vollkommen angemessen, halte dafür aber einen nominierten Kandidaten für mehr als fragwürdig: Diablo Immortal.
Zu kaum einem Mobile-Game gab es seit seinem Release am 2. Juni so viel negatives Feedback von Spielern und Kritikern: Activision-Blizzard scheint den Begriff manipulative Mikrotransaktionen für seinen Loot-Ableger in der Hosentasche gepachtet zu haben, denn Diablo Immortal schlug dem Fass in vielerlei Hinsicht den Boden aus.
Ein vollausgestatteter Charakter für 100.000 Euro, multiple und extrem verwirrende Echtgeld-Systeme und ein Loot-Cap für Free2Play-Spieler: Diablo Immortal macht in Sachen Spielerfreundlichkeit ungefähr alles falsch, was man als Mobile-Game falsch machen kann. Nicht umsonst haben wir das Spiel in unserem Test als „mobile Echtgeld-Hölle“ bezeichnet und mit einer mangelhaften 39 als Wertung gescholten.
Die unmoralischen Methoden, mit denen Diablo Immortal Blizzard Millionen in die Tasche spült, wurden aber auch von den Spielern abgestraft: Der User-Score von 0.4 auf Metacritic spricht Bände. Wäre es nach dem Feedback der Community und den Wertungen gegangen, dann hätte man Diablo Immortal nicht als bestes, sondern als manipulativstes Mobile-Game nominieren müssen.
Auch abseits von Diablo Immortal ist die Spiele-Auswahl der Kategorie nicht unproblematisch: Besonders die beiden Gacha-Titel Genshin Impact und Tower of Fantasy mit ihren Lootboxen sind Musterbeispiele für manipulative Systeme in Videospielen und ziehen Spielern per Glücksspiel das Geld aus der Tasche. Trotzdem zeigt vor allem Diablo Immortal, dass einige Nominierungen der Game Awards fernab der Spielerrealität gewählt wurden.
Eine technische Baustelle: Overwatch 2
Auch in der Kategorie „Best Multiplayer-Game“ hat sich ein Kandidat eingeschlichen, der seine Nominierung allem, aber sicher nicht der Spielerzufriedenheit zu verdanken hat: Die Rede ist natürlich von Overwatch 2. Der Nachfolger zu Blizzards Helden-Shooter (hey, schon wieder Blizzard!) ließ seine Spielerschaft beim Launch dank massiver Serverprobleme und stundenlanger Warteschlagen im Stich und weil Teil 1 seitdem nicht mehr existiert, fehlte auch die Ausweichmöglichkeit.
Bereits im Vorfeld hatte Overwatch 2 durch den Zwang zur Hinterlegung einer Handynummer für kontroverse Schlagzeilen gesorgt, auch, weil man durch diese Entscheidung Prepaid-Nutzer ausschloss. Zwar wurde das „Feature“ letztendlich für einen Großteil der Spieler abgeschafft, trotzdem hört die Liste an Ärgernissen hier noch lange nicht auf.
Auch nach seinem Release leistete sich Overwatch 2 nämlich wiederholt technische Schnitzer: Wegen eines Bugs mussten die Helden Torbjörn und Bastion vorübergehend deaktiviert werden und wegen extremer FPS-Einbrüche war sogar die Karte Junker Town für kurze Zeit nicht betretbar. Auch die Eiskönigin Mei musste wegen eines Bugs mit ihrer Ice Wall kaltgestellt werden und ist erst seit kurzer Zeit wieder mit von der Partie.
Spielerisch mag das Konzept von Overwatch 2 immer noch aufgehen und die Reduzierung der Helden-Anzahl pro Match von zwölf auf zehn war für viele der längst überfällige frische Wind. Aufgrund der vielen technischen Probleme, herausgezögerter Balance-Änderungen und des Wechsels von Lootboxen zum Battle Pass haben Spieler an Overwatch 2 aber kaum ein gutes Haar gelassen und der User-Score von 1.5 auf Metacritic spiegelt das nur allzu deutlich wider.
Diablo Immortal mit seinen manipulativen Praktiken und Overwatch 2 mit seiner katastrophalen Technik sind zwei Kandidaten, die meiner Meinung nach in keiner Kategorie der Game Awards etwas zu suchen haben. Es gibt aber auch ein paar Spiele, denen ich die Nominierungen zwar keineswegs missgönne, die ich aber als fehlplatziert in ihren Kategorien erachte. Achtung: Es folgen Beschreibungszitate und der Versuch von Begriffsdefinitionen.
Kategorischer Krampf beim Kampf
Die Kategorie „Best Fighting-Game“ fällt dieses Jahr ebenfalls dadurch auf, dass sich unter die Schwanenküken eine Ente geschlichen hat: Nicht, weil ein Spiel hässlicher ist als die anderen, sondern schlicht, weil es nicht dort hingehört. Ja, in Sifu wird gekämpft, aber das gilt auch für sehr viele andere Spiele, die in der Kategorie „Best Fighting-Game“ trotzdem nichts zu suchen haben.
In der Beschreibung der Kategorie ist nämlich von Spielen die Rede, die vorrangig für den Kampf Mann gegen Mann konzipiert wurden (im Original: „Head-to-Head“) und vier der fünf Spiele erfüllen dieses Kriterium dank verschiedener lokaler oder Online-Modi mit Leichtigkeit. Doch beim Offline-Singleplayer Sifu kämpfe ich Mann gegen Maschine, weshalb der Titel deutlich aus dem Raster fällt.
An Konkurrenz hat es jedenfalls nicht gemangelt: Mit Persona 4 Arena Ultimax stand beispielsweise ein Kandidat zur Auswahl, dessen Nominierung in dieser Kategorie deutlich mehr Sinn ergeben hätte als das geniale, aber eben unpassend platzierte Sifu. Eins hat der Indie-Titel mit den Game Awards-Nominierungen zumindest gemeinsam: Er sorgt bei mir für graue Haare.
(K)Ein Spaß für die ganze Familie
Schon seit einigen Jahren ist die Kategorie „Best Family Game“ abseits einiger Ausreißer wie dem diesjährigen Lego Star Wars: Die Skywalker Saga eine reine Nintendo-Kategorie, denn offenbar produziert niemand sonst in der Branche Spiele, die man mit der ganzen Familie genießen kann. Da kann es schon mal vorkommen, dass sich ein Titel wie Mario + Rabbids: Sparks of Hope in diese Kategorie verirrt, obwohl er kein einziges Multiplayer-Feature besitzt.
Jetzt kann man natürlich behaupten, dass eben einer spielt und der Rest der Familie dabei zuguckt, aber mit der simplen Qualifikation hat jeder kinderfreundliche Singleplayer das Zeug dazu, die ganze Familie zu unterhalten und an solch schwammigen Kategoriedefinitionen kann nun wirklich keiner interessiert sein. Auch das Argument, es handle sich schlicht um Spiele die für jede Altersgruppe geeignet sind, ist nicht gerade überzeugend: Die Beschreibung der Kategorie spricht nämlich von Spielen, die „geeignet zum Spielen mit der Familie“ sind.
Auch Splatoon 3 erscheint mir durch den fehlenden Splitscreen als familientaugliches Spiel deplatziert und die spritzigen Inklinge fühlen sich mit der Nominierung als bestes Multiplayer-Spiel sicherlich deutlich wohler. Denn dass Mama und Papa sich eine eigene Nintendo Switch zulegen, nur um mit den Kindern ein wenig um die Wette zu färben, dürfte dann doch eher die Ausnahme sein.
Gerade im Vergleich zum Mehrspieler-Spaß Nintendo Switch Sports scheinen einige andere Spiele in dieser Kategorie daher eher ausgewürfelt worden sein, frei nach dem Motto: Hauptsache bunt oder von Nintendo. Dass das letztes Jahr in dieser Kategorie nominierte It Takes Two zwar zu zweit spielbar ist, aber alleine aufgrund der zerreißenden Szene mit Stofftierelefant Cutie nun wirklich nicht für Kinder geeignet ist, ist da nur ein weiterer Beweis für meine These der Willkürlichkeit.
Innovation versus Kommerz: Ein Wunsch für die Zukunft
Zurückführen lassen sich viele der Probleme auch darauf, dass nicht für jede einzelne Kategorie jedes Jahr unendlich starke Titel zur Auswahl stehen. Dann sollte man aber über flexible Kategoriegrößen nachdenken oder überdenken, wie wichtig die Berücksichtigung so vieler Genres ist. Sowieso drängt sich mir auch hier wieder der Aspekt Willkür auf: Warum gibt es Kategorien für Action-Adventure oder Simulation, aber nicht für Visual Novels oder Plattformer?
Ohnehin wünsche ich mir für die Zukunft neben der offensichtlichen Konzentration auf Werbung und Kommerz ein bisschen mehr Mut für die Nominierungen. Dass die Kategorie „Best Art Direction“ beispielsweise die technische Seite der Optik berücksichtigt, erlaubt Titeln wie God of War oder Horizon Forbidden West eine Nominierung, obwohl sie im Vergleich zu einem Scorn in Sachen Ideenreichtum deutlich weniger zu bieten haben.
Letztendlich bin ich trotz aller Kritik natürlich gespannt, welche Spiele in den einzelnen Kategorien die Goldmedaillen einheimsen und wer nächstes Jahr in neuer Verpackung mit glänzendem „Game of the Year“-Banner in den Läden steht. Die bisherigen Debatten beenden dürften die Game Awards am 8. Dezember aber nicht – schließlich kann danach diskutiert werden, ob die Gewinner ihren Titel auch verdient haben oder nicht.