Ich liebe Horror-Spiele. Ein schlichter Satz – mit noch mehr Wahrheitsgehalt. Die Zuneigung hat in den tiefsten 90ern mit Alone in the Dark angefangen, hangelte sich während der Nullerjahre entlang von Clive Barker’s Undying und Call of Cthulhu: Dark Corners of the Earth – und jüngst hat mir das Silent Hills-Vorspiel P.T. gezeigt, wie moderne Gruselei wirklich geht. Eine weitere, zweite Hingabe gilt den Story-Spielen – egal, ob hochgejazzte, interaktive Filme wie Heavy Rain, oder klassische Adventures mit unserem Freizeitanzug-Heros aus Leisure Suit Larry.
Dass mir also auch irgendwann ein The Casting of Frank Stone – From the World of Dead By Daylight in die Steam-Bibliothek plumpsen würde, verwundert schwerlich. Was mir hingegen haushohe Verwunderung bescherte, war das Finale dieses neuesten Story-Spiels von Supermassive Games (Until Dawn). Ich verrate euch, wieso ich diesem unwahrscheinlichen Kandidaten mein persönliches Siegerkrönchen für „das beste Horror-Spiel 2024“ aufsetze.
Das überraschende Ende – und eine Verbindung zu Dead By Daylight
Für die Uninformierten unter euch: The Casting of Frank Stone ist ein Story-Spiel von Supermassive Games, dass von „Bedeutsamen Entscheidungen“ geprägt ist – wie das im Steam-Eintrag umschrieben wird (Hinweis: Dort saugt ihr euch auch die kostenlose Demo). Und die Zuordnung unserer liebsten Vertriebsplattform ist treffend: Dieser Film zum Mitspielen fährt stolze 16 Enden an der Zahl auf; diese unterscheiden sich voneinander allerdings nur marginal. Was alle diese 16 Schlusssequenzen eint, ist der – Achtung: Spoiler! – Brückenschlag zum regulären Dead by Daylight:
Die zuletzt verbleibenden Charaktere sind die „Überlebenden“ und Antagonist Frank Stone selber ist ein neuer „Killer“ – aus dem Mehrspieler-Gameplay von Dead By Daylight.
Okay, okay, zugegeben: Kenner*innen von Dead By Daylight werden jetzt die Hände über den Kopf zusammenschlagen, mit geschärfter Ghostface-Klinge fuchteln – und rufen: „Wie konnte der Bengel das nicht meilenweit kommen sehen?“. Nun ja, zu meiner Verteidigung: Als Dead By Daylight-Frischling entfleuchte mir während der letzten Spielminuten ein frustriertes „Das soll das Ende sein?“. So war die Klimax für mich stimmig.
Wer tiefer dahingehend eintauchen möchte, wie (nicht nur der Showdown von) The Casting of Frank Stone das Storytelling rund um Dead By Daylight weiter aufgestoßen hat, sollte sich die nebenbei bemerkt in diesem Artikel verlinkten, wirklich empfehlenswerten Beiträge auf Reddit und TikTok gönnen. Okay, aber wie konnte mich ein mit eher „ausgeglichenen“ Bewertungen auf Steam behangener Titel überhaupt überzeugen? Wer mit der Erwartungshaltung herangeht, The Casting of Frank Stone würde ein von Nervenkitzel und Zombie-Hetzjagd getragenes Survival-Horror-Game à la Resident Evil abliefern, wird bitterlich enttäuscht.
Für wen eignet sich The Casting of Frank Stone …
Auch Freund*innen klassischer Adventures, mit Vorliebe für zu knackende Kopfnüsse, werden enttäuscht – die wenigen Denksportaufgaben in Casting of Frank Stone löst ihr auch nur mit einer halben Gehirnzelle. Und Enthusiast*innen immersiver Story-Spiele, wie Life is Strange – könnten ebenfalls resigniert das Gamepad in die Zimmerecke pfeffern. Spielerisch sind sich Frank Stone und eine Life is Strange einerseits deckungsgleich; böse Zungen würden behaupten, es handelt sich um gepimpte Walking Simulators.
Anderseits geht unserem Franky Stone der introspektive, tiefschürfende Charakter eines Titels aus dem Hause Don’t Nod oder Deck Nine ab – setzt dafür an dieselbe Stelle das wohlige Unbehagen einer guten Horror-Anthologie. Eingefleischte Supermassive Gamer*innen (The Quarry, The Dark Pictures Anthology) werden’s goutieren können. Profan in Worte gegossen, fühlte ich mich bei The Casting of Frank Stone eher, als würde ich einen handwerklich raffinierten Horror-Sammelband schmökern.
Dabei funkeln bei diesem neuesten Titel von Supermassive Games durchaus auch spielerisch einige wenige Glanzpunkte, die das Genre-typische „Rumlaufen und die Umgebung erforschen“ auflockern. Zum Beispiel sind mir zwei vorsichtig fordernde Rätsel im Gedächtnis geblieben. Im ersten Fall erforschen wir in den Schuhen der Madison Rivera-Platt zusammen mit zwei mysteriösen Mitstreiter*innen ein finsteres Anwesen. Ihr wollt in das Reliquiar von Gastgeberin und Hausherrin Augustine Lieber eindringen. Doof nur, dass ein Tor den Zugang versperrt.
… und welche Rätsel euch im Spielverlauf begegnen
Um das Schloss zu knacken, müsst ihr euch die an der Wand hängenden Bilder genauer anschauen – also, ganz … genau … anschauen. Zweiter Fall betrifft das Horologium – eine unheilvolle Vorrichtung, die ich euch nicht verspoilern möchte. Eine Wonne dann, hinter die recht simple Logik hinter dem Drehscheiben-Rätsel bei dieser Teufelsvorrichtung zu kommen. Dann gibt es noch Dinge, die eigentlich spielerische Nebenschauplätze sind, und dennoch Eindruck schinden konnten: Die Tatsache, dass wir Linda Castles Kamera irgendwann wie eine Schusswaffe gegen den ektoplasmatischen Frank Stone richten dürfen – und abfeuern.
Dann die liebevollen gleichsam plakativen Verneigungen vor dem Genre mit sprechenden Kapitel-Titeln („These Walls Have Eyes“, „Descend of the Damned“, „In The House of Darkness“) – oder die Tatsache, dass in der Drogerie eine Arcade-Maschine steht, auf der wir eine Runde Space Invaders einlegen dürfen.
Zum Abschluss noch ein hoffentlich mehrwertiger Hinweis für interessierte Spieler*innen: Mindestens ein Fünftel der Spielzeit von Frank Stone habe ich mit Lesen zugebracht – Zeitungsausschnitte, Buch-Kapitel, Biografien und ein Brief von Mutter Stone an ihren Sohn, bei dem mir noch jetzt vor lauter Grauen die Haare ausfallen. Nicht die schlechtesten Texte. Wirklich nicht. Die beiden größten Kritikpunkte wären die hakelige Steuerung und die etwas eigenartige, deutsche Synchronisation.
Was mir an The Casting of Frank Stone weniger gefallen hat
Bei dieser Story-Gruselschaft dürft ihr euch daran gewöhnen, mit eurer Spielfigur wiederholt gegen die Level-Architektur zu rumpeln und hängenzubleiben – egal, welchen der fünf Charaktere ihre gerade manövriert. Und wer sich auf diesen Dead by Daylight-Ableger mit deutscher Sprachausgabe geben möchte, wird mit kompetent klingenden, aber immer wieder eigenartig betonenden Sprecher*innen konfrontiert; ich mutmaße, die Aufnahmesituation war, nun ja, suboptimal.
Auch erschrocken habe ich mich bei Casting of Frank Stone seltener als selten – an die Stelle rückte dafür ein ständiges Gefühl der Bedrohung. Auch nicht schlecht. Ob auch ihr The Casting of Frank Stone – From the World of Dead By Daylight die Sieger*innenkrone für „das beste Horror-Spiel 2024“ aufs grauselige Haupt schiebt, bleibt euch überlassen. Ich sag‘ mal so: Kollege Michael Sonntag, der unseren 4P-Test zu Silent Hill 2 Remake in die ABC-Klaviatur gehämmert hat, würde mir sicherlich vehement widersprechen.
Quellen: Steam / @Supermassive Games, Reddit / @Walkman_Metrocop, TikTok / @FrickingNick, PCGamesN