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Game Over für Piranha Bytes: Gothic war für mich ein absoluter Meilenstein – doch mit Gothic 3 war ich bodenlos enttäuscht

Für die einen eine Hiobsbotschaft, für die anderen eine logische Konsequenz: Piranha Bytes war mal. Eine Fan-Rückschau zur Gothic-Reihe.

Die Freunde Gorn, Lester, Milton und Diego verbeugen sich ein letztes Mal vor dem Piranha Bytes-Logo.
© THQ Nordic, Piranha Bytes, bearbeitet mit Photoshop

Playable Teaser: Der Auftakt

Den Auftakt der Prototyp-Demo des Remakes von Gothic haben wir im Video festgehalten. In dem 20 Minuten langen (unkommentierten) Clip wird zunächst die Vorgeschichte erzählt, bevor es abwärts in die Mine geht. Nach mehreren Zwischensequenzen und dem Fund eines kaputten Schwerts wird kurz das Kampfsystem vorgestellt, das mit seiner Blocken/Parieren-Technik an For Honor erinnert. Im Anschluss werden Gespräche geführt und die Minenkolonie bei Tageslicht erkundet.

Ganz ehrlich: Als mich die Nachricht von der Schließung des legendären, deutschen Entwicklerstudios Piranha Bytes erreichte, war ich maximal milde überrascht. Immerhin ließen die finanziellen Schwierigkeiten der übergeordneten Embracer Group und der überschaubare Erfolg der Fortsetzung Elex 2 nichts Gutes ahnen. Dabei war Piranha Bytes einst mein absolutes Lieblings-Studio.

Rückblick ins Jahr 2001: Auf der CD einer Spielezeitschrift entdecke ich eine Demo zu einem mir gänzlich unbekannte Rollenspiel namens Gothic – ein Begriff, mit dem ich als Vorpubertierender höchstens eine Klassenkameradin mit üppig aufgetragenem Lidschatten in Verbindung brachte. Die Demo hatte mich sofort in ihren Bann geschlagen und das, obwohl die Testversion ohne Sprachausgabe lief, daher der markante Ruhrpott-Charme irgendwie noch fehlte. Dessen ungeachtet war ich eingenommen von Minenschächten, Minecrawlern und harten Jungs. Und trotzdem war es eine Liebe, die irgendwann zerbrach – wie jetzt Piranha Bytes selbst.

Wie mich Gothic 1 damals kalt erwischt hat

Viele Spielerlebnisse aus meiner Gamer-Biografie bleiben einmal erlebt und auf ewig vergessen. Aber wie ich als namenloser Held ungestüm in die magische Barriere gepfeffert, danach von einem Halunken aus dem Alten Lager mit einer Faust ins Gesicht begrüßt wurde, hat sich in mein Langzeitgedächtnis eingebrannt. Wirklich weggeblasen hatte mich seinerzeit, wie die restliche Gothic-Fangemeinde auch, die lebendige, handgemachte Spielewelt.

So sah damals 2001 das Intro des heute absolut kultigen Gothic aus:

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Was in oben genannter Demo noch ein stinkiger Minenstollen mit überdimensionierten Fantasy-Ameisen war, multiplizierte sich in der Gothic-Vollversion zu einem eigenen Makro-Kosmos, mitsamt untereinander verfeindeten Gruppierungen (Altes Lager, Neues Lager, Sumpflager), Hierarchien (Gardisten sind über den Schatten, aber über allen stehen die Feuermagier) und dem durchschlagenden Ruhrpott-Humor – etwa dann, wenn ich mich erstmals auf dem Weg zum Alten Lager befinde, mich bei den Wachen an einer Brücke danach erkundige: „Ist das da hinten das Alte Lager?“ Und der Pfundskerl antwortet: „Nein, das ist das Neue Lager. Das Alte Lager ist unter der Brücke.“

Gothic hat damals geschafft, woran J. R. R. Tolkien (dessen Herr der Ringe-Bücher mich damals weniger euphorisierten) und Freunde mit Rollenspielbüchern gescheitert waren: Mich in eine Fantasy-mäßige Parallelwelt entführen. Wie sehr die handgefertigte Art des allerersten Spiels von Piranha Bytes mich überzeugte, dafür steht auch The Elder Scrolls 3: Morrowind. Ja, das 2002 erschienene Rollenspiel aus dem Hause Bethesda ist ein moderner Klassiker – aber ganz ehrlich: Für mich als Dreikäsehoch war Gothic der Goldstandard und Vvardenfell immer irgendwie blutleer und generisch.

Seinerzeit versetzte mich der Morrowind-Trailer in helle Vorfreude – doch das eigentliche Spiel enttäuschte mich.

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Piranha Bytes mit Gothic 2 auf dem Zenit

2002 war dann aber auch das Jahr, in dem die Rollenspiel-Fortsetzung der gefräßigen Fischchen erschien: Gothic 2. Für viele der Höhepunkt der Gothic-Reihe hatte auch mir das zweite Kapitel rund um die Eskapaden des Namenlosen sehr gut gefallen. Den Stellenwert des ersten Gothics hat das Sequel für mich persönlich aber nie eingenommen.

Vielleicht lag es daran, dass der Neuheitswert wegfiel – immerhin war ich mit Gameplay-Mechaniken und grafischen High- und Lowlights altvertraut. Womöglich war mir die Ausgestaltung der Spielewelt aber auch zu sehr konventionelle Fantasy-Kost. Immerhin schreien Paladine und die Jagd nach Drachen nicht gerade „Originalität!“, wie es die bekiffte Bruderschaft mit ihrem Kult um den Cthulhu-artigen Schläfer in Teil eins taten. Mal einen Seitenschritt aus meiner eigenen Perspektive getan, war Gothic 2 natürlich trotzdem ein fantastisches Spielerlebnis – wenn auch die Erweiterung Die Nacht des Raben mich erst wieder so richtig in ihren Bann geschlagen hat, mit dem gewaltigen Sumpfgebiet, einer eigene Piratengilde und dem großen Banditenlager.

Im Jahr 2006 kam Gothic 3 – und was soll ich sagen? Mit Gothic 3 habe ich mich sowohl von der Gothic-Reihe als auch Piranha Bytes entliebt. Was ich an Gothic 1 und 2 verehrt hatte, fehlte jetzt komplett. Die kleine, aber fein ausstaffierte Spielewelt wurde ersetzt durch eine, in meinen Augen zwar größere, aber auch willkürlichere Insel Khorinis. Ganz ehrlich: Ich habe nicht verfolgt, ob über die Jahre mit offiziellen oder Fan-Mods nachgebessert wurde, aber das Kampfsystem habe ich nie verstanden – und dennoch gab es Lichtblicke. Vage erinnere ich das Glücksgefühl, von Orks unterjochte Siedlung befreit zu haben. Eine Erfahrung, wie ich sie mir auch für das neue Studio des Piranha Bytes-Urgesteins Björn Pankratz wünsche.

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Von Gothic 3 bitter enttäuscht und alles danach vergessen

Heute kann ich keine einzige Dialogzeile aus Gothic 3 auswendig aufsagen. Gut, vielleicht war ich altersmäßig über den Punkt hinaus, an dem ich begeisterungsfähig für Fantasy-Stoffe war. Mit Gothic 1 begann meine Fantasy-Phase, mit Gothic 3 endete sie endgültig – bis heute. Unnötig zu sagen, dass ich Gothic 3 niemals zu Ende gespielt habe. Und das, obwohl ich die beiden Vorgänger jeweils mehrfach und mit großer Freude durchgezockt habe. Und, ja, 2010 wurde mit Arcania ein viertes Gothic von Spellbound entwickelt – aber zu dem Zeitpunkt hatte ich mich komplett von der Marke Gothic verabschiedet.

Von dem, was Piranha Bytes danach gewerkelt hat, habe ich nur am Rande Notiz genommen. Die Risen- und Elex-Reihen sind an mir über die Jahre als flüchtige Anekdoten vorbeigezogen, wie süßliche Erinnerungen einer längst verblassten Liebe. Wenn ich dieser Tage durch die Steam-Angebote stromere, sehe ich die Risen-Spiele stark vergünstigt und bin versucht herauszufinden, was mein altes Lieblings-Studio über die Jahre erschaffen hat. Dann denke ich wiederum, würde ich mir vorkommen wie jemand, der sich auf Facebook & Co. Fotos von Ex-Partner*innen anguckt.

Denn, ja, mit dem Dahinsiechen von Piranha Bytes stirbt jetzt ein Stück deutscher Spielegeschichte – und erlebt parallel mit Pithead Studio des Ehepaars Pankratz vielleicht irgendwann eine Wiedergeburt. Mit Blick in den Rückspiegel bin ich Piranha Bytes einfach nur dankbar, qua Gothic 1 und 2 mein Spielerleben bereichert zu haben – und bin trotz aller Unsicherheiten gespannt, womit Björn und Jenny um die Ecke kommen werden. Und dann steht da natürlich noch das Gothic-Remake für eine Rückkehr in das Minental.

Quellen: YouTube / Game Cinematics, Bethesda Softworks; Twitter / @PitheadStudio; World of Gothic