Auch ich war mal jung. Als im Jahr 2000 der Shooter Turok 3: Shadows of Oblivion in die Händlerregale krachte, war ich schon dem Windelalter entwachsen – aber Bartwuchs oder ein eigenes Bankkonto? Fehlanzeige. Wichtiger: Das dritte Hauptspiel des Dinosaurierjägers erschien exklusiv für Nintendos N64. Und nur dafür. Im Sinne von haste-nicht-gesehen-wie-exklusiv. Parallel dazu bruchlandete zwar ein weiteres Turok 3: Shadows of Oblivion in den Computerspielabteilungen, aber erstens war das ein Action-Spiel für den GameBoy Color, und zweitens …
Herrje, es war halt ein GameBoy Color-Spiel? Den Handheld besaß ich zwar, aber nachdem ich in Turok 2: Seeds of Evil mit dem Gehirnbohrer außerirdischen Cyber-Insekten die Oberschlundganglionen herausgerissen hatte? Wollte ich Turok 3 auf dem PC – nicht den familienfreundlichen Handschmeichler. Seit dieser Nintendo-Exklusivität leide ich irgendwie an einer Mario-Allergie. Doch Rettung naht, wenn ich jetzt dank Volljährigkeit, eigenem Bankkonto und Retro-Remaster zuschlage!
Turok 3 trotz Nintendo-Allergie: Warum ich zuschlagen musste
Nicht, dass ich niesen müsste, sobald ich an einer Plüschfigur des Videospiel-Klempnerns vorbeitorkele. Und dennoch: Seit dem Turok 3-Vorfall hatte ich weniger bis gar nichts übrig für den japanischen „Friede, Freude, Eierkuchen“-Konzern. Nichts gegen Frieden und Eierkuchen ist lecker, aber als 2002 – nur zwei Jahre nach Shadows of Oblivion – das Remake zum ersten Resident Evil ebenfalls exklusiv auf den GameCube gehievt wurde, war ich als eingefleischter PC- und PlayStation-Spieler völlig verprellt.
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Das erklärt auch, warum mich heutzutage jedwede Ankündigungen zu den Joy-Cons der Nintendo Switch 2, DLSS für die Nintendo Switch 2, geschätzte Kaufpreise der Nintendo Switch 2 – oder sonst alle Ankündigungen, die mit dieser Switch Reloaded zu tun haben, eiskalt lassen. So viel zu meiner Abneigung. Sprung ins Jahr 2023: Die Remaster-Expert*innen von Nightdive Studios schlittern mit einer Neuveröffentlichung von Turok 3 um die Ecke. Das Kind in mir jubelte, mein Portemonnaie verkniff sich den Kauf.
Erspäht habe ich den Ego-Shooter Turok 3 mit starkem Science-Fiction-Drall jetzt vergünstigt zum Preis von ungefähr drei Dönern (sprich: 19 Euro) auf Steam, musste direkt zuschlagen. Zunächst bei Steam, danach bei Tentakelmonstern, Zombies und anderem kosmischen Gesocks. Anders gesagt: Turok 3 ist für mich, trotz jahrelanger Verspätung, eine Mordsgaudi. Das hat vor allem mit drei kleine, aber spielerisch wertvollen, Punkten zu tun.
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Turok 3 ballert gut – und bedient sich bei Half-Life
Noch mit den erstaunlich weiträumigen Leveln aus dem Original Turok (1997) im Hinterkopf, beziehungsweise den vertrackten Labyrinth-artigen Welten aus Turok 2: Seeds of Evil (1998), war ich verblüfft darüber, wie nahe Turok 3: Shadow of Oblivion an storylastiger Ego-Shooter seiner Zeit rückt. Das ist irgendwie erwartbar, schließlich hatte Half-Life gerade erst anno 1998 die Gaming-Welt wachgerüttelt.
Mit der Brille eines Spielers aus dem Jahr 2025 betrachtet, der zuletzt im gigantischen Shooter-Inselparadies eins Far Cry 6 untergetaucht ist, war ich überrascht, wie engmaschig Turok No. 3 mich durch seine virtuellen Welten lotst. Alle Nase weit fliehen Zivilist*innen Arme wedelnd durch die Gegend, rauschen Raumschiffe über meinem Kopf hinweg, explodiert irgendwas in der Spielewelt, sobald ich einen bestimmten Hotspot berühre.
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Gerade der erste Schauplatz, eine dystopische Metropole, sieht mit seinen nüchternen Korridoren verdächtig nach dem ersten Half-Life aus. Auch wenn ein Unschuldiger eine Leiter hochklettert, um aus der Kanalisation an die Oberfläche zu flüchten, dann – Überraschung! Überraschung! – von einem schleimigen Alien zu Probierportiönchen zerlegt wird, erinnert das frappierend an dutzend ähnliche Script-Ereignisse aus Valves Shooter-Legende. Einerseits. Andererseits fühle ich mich wie in einen hyperbrutalen Soldier of Fortune teleportiert.
Soldier of Dinosaurs-Shooter und Grafik-Update
Verantwortlich ist nicht nur die überdrehte Gewaltdarstellung. Urbane Levelabschnitte mit heranbrausenden U-Bahnen wirken wie aus dem kontroversen Ego-Shooter der damaligen Raven Software entlehnt. Zu diesen beiden Punkte – geradlinige Bauart im Level-Design und schnörkellose Ballerbudenballerei – schließt sich ein dritter Punkt an: die grafische Präsentation. Shadow of Oblivion ist ein First Person Shooter, der nun mal vor ziemlich genau 25 Jahren seinen Release feierte. Entsprechend altbacken sollte die Grafik daherkommen. Tut sie aber nicht.
Überraschend modern: Bevor sich’s losballert, wählt ihr zwischen einem weiblich und einem männlich gelesenen Spielcharakter – und schon geht’s actionreich los, wie im Trailer hier.
Zugegeben: Man sieht der Ballerorgie des damaligen Acclaim Studios Austin noch immer an jedem Pixel das Alter an. Jedweder Vergleiche mit einem Doom: The Dark Ages oder erst recht einem Unrecord sind fehlgeleitet – und zwar sowas von. Und dennoch: Was Nightdive Studios dank höher aufgelöster Texturen oder neuen Licht- und Schatteneffekten nochmal optisch aus dem Dinosaurierjäger herausgeholt hat, gebührt Anerkennung.
So oder so bin ich froh darüber, nach all den Jahren endlich Turok 3 nachholen zu können, Nightdive Studios sei Dank. Die ungefähr eineinhalb Stunden, die ich bisher versenkt habe, waren ein Fest. Und die verbleibenden Spielstunden versprechen nicht weniger spaßig auszufallen. Da ist auch wumpe, wenn die mutierten Echsen und vielbeinigen Aliens bisher den Intelligenzquotienten einer Tüte Mücken aufweisen. Und wisst ihr was? Vielleicht, ganz vielleicht könnte somit mein Nintendo-Trauma überwunden sein …
Apropos Shooter Perlen auf Nintendos Art: Perfect Dark ist ein weiterer Retro-Klassiker, der verspätet den Sprung auf andere Plattformen geschafft hat.
Quellen: Steam, YouTube / @Nightdivestudios