Wieder einen Streaming-Abend vor der heimischen Mattscheibe verbracht. Und was soll ich sagen: Anstatt eines Actionfilms mit Milla Jovovich, die waffenstarrend gegen eine Zombiearmee besteht, stand bei mir George A. Romero’s Resident Evil auf dem Programm. Ein Dokumentarfilm und Erstlingswerk von Regisseur Brandon Salisbury, der ein Herzensprojekt des Resident Evil-Fans ist – uns freundlicherweise von Dolphin Medien zur Ansicht bereitgestellt wurde.
Mission der Doku: Ausleuchten, wieso die in den späten 90er-Jahren angedachte Verfilmung des Survival-Horror-Spiels durch den Godfather of Zombiefilm scheiterte. Eine Dokumentation, die minutiös nachzeichnet, woran sich der Regisseur von Night of the Living Dead, Dawn of the Dead und ähnlich tödlich betitelten Filmen, die Zähne ausgebissen hat – und was das mit einer deutschen Produktionsfirma zu tun hat.
Überblick
George R. Romero: Geniekult oder ein solider Genre-Regisseur
„Ein verdammtes Genie!“, kündigt Quentin Tarantino bei den Scream Awards 2009 seinen deutlich älteren Kollegen George Andrew Romero dem jubelnden Publikum an. Erst zwei Jahre zuvor war der Macher von Pulp Fiction mit Death Proof dezent gescheitert – einer Art Slasher-Film auf Rädern. Filmisch standen Romero und Tarantino nie wieder näher beieinander. Doch ich greife vor.
Preisvergabe und Jubelschreie sehen wird erst fast am Ende von George A. Romero’s Resident Evil – oder nachstehend:
Dieser Film beginnt – und erzählt typisch für Dokumentationen – mit Interviewschnipseln. Mitglieder der George A. Romero Foundation, Benjamin T. Rubin vom Romero-Archiv der University of Pittsburgh, der als Angry Video Game Nerd besser bekannte James Rolfe, oder Alex Aniel als Autor des Standardwerks „Itchy, Taste: An Unoofficial History of Resident Evil“ kommen zu Wort.
Sie zeichnen nach, wieso alle Beteiligten und Fans weltweit davon überzeugt waren: George A. Romero sei der ideale Kandidat für eine Resident Evil-Verfilmung. Und weshalb der Zuschlag letztlich doch an Paul W.S. Anderson ging, der sich wenige Jahre zuvor noch durch den Achtungserfolg „Event Horizon“ positiv hervorgetan hatte.
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Die Erfolgsgeschichte Resident Evil wird zum Film…
Die Geschichte dieser gescheiterten Verfilmung geht so: Im Jahr 1993 beginnt der Videospieldesigner Shinji Mikami die Arbeit an einem Horrorspiel unter Capcoms Flagge, das später unter dem Titel Resident Evil einen weltweiten Siegeszug bei Kritiker*innen und Spieler*innen antreten sollte. Eine der wichtigsten Inspirationsquellen Mikamis war der Zombiefilm „Dawn of the Dead“ von George A. Romero. „Ich liebe diesen Film“, wurde der Spieleentwickler, der später noch federführend bei Resident Evil 4 mitmischen sollte, etwa bei Games Radar zitiert.
Resident Evil erscheint im März 1996. Nur wenige Monate später, im Januar 1997, verkündet das Branchenmagazin Variety in nüchterner Sprache: „Constantin kauft Evil-Rechte“ – aber wagen wir kurz einen Seitenblick darauf, wie uns die Dokumentation das alles erzählt. Die fast zwei Stunden Lauflänge sind bevölkert von nachgestellten Szenen aus den Zwischensequenzen des originalen Videospiels. Da wird bei finsterer Beleuchtung in unheilvolle Villen eingedrungen – oder Zombies drehen uns bluttriefend den Kopf zu.
Der englischsprachige Trailer zu Doku:
Dazwischen geschnitten sind immer wieder Interviewschnipsel, werden zeithistorische Artikel zitiert sowie der Handlungsverlauf des Evil-Drehbuchs von George R. Romeros später fast schon bis zur Ermüdung nacherzählt. Ein Detailreichtum, der Gelegenheitszuschauer*innen abschrecken dürfte, aber eingefleischte Fans faszinieren.
Zurück zur Filmgeschichte: Constantin jedenfalls war Mitte der Neunzigerjahre noch eine Produktionsfirma, die im US-amerikanischen Ausland vor allem für zweierlei bekannt war: Die Kinderbuchverfilmung zu „Die Unendliche Geschichte“ und den niemals veröffentlichten Superheldenfilm „The Fantastic Four“ – produziert von Low-Budget-Experte Roger Corman und dem mittlerweile verstorbenen Bernd Eichinger (Der Schuh des Manitu, Hausmeister Krause – Ordnung muss sein). Und was macht Romero in der Zwischenzeit?
Romero goes Resident Evil 2
Parallel dazu befindet sich bei Capcom in Japan bereits der Videospielnachfolger Resident Evil 2 in der Mache. Um das Spiel zu bewerben, nahm das Studio 1,5 Millionen Dollar in die Hand, verwirklichte damit einen aufwendigen Werbeclip mit echten Schauspieler*innen. Dabei fiel die Wahl für den Regisseur auf den Zombie-Übergott persönlich: George A. Romero.
Das Engagement mit dem Genre-Regisseur mündete darin, dass Romero als zentraler Kreativkopf für die Verfilmung des ersten Resident Evil-Spiels verpflichtet wurde. Zumindest vorerst. Die Folgezeit war sowohl für Romero als auch die Fan-Community ein stetiges Auf und Ab. Zunächst arbeitete Drehbuchautor Alan B. McElroy (Halloween 4: The Return of Michael Myers, Spawn) an einem Skript. Später griff Romero persönlich zum Stift – um ein Drehbuch fertigzustellen, jenes einerseits deutlich näher an dem war, was die Videospielvorlage erzählte.
Trotzdem verpasste Romero der Horrorstory rund um die Spencer-Villa seine eigene Handschrift. So war Chris Redfield in seiner Adaption klar als Amerikanischer Ureinwohner herausgearbeitet, eine Liebesgeschichte zwischen zwei Hauptfiguren verwebte er ebenfalls. Andererseits prallte sein Drehbuch bei den Entscheidungsträger*innen bei Constantin ab – und ganz speziell bei Bernd Eichinger persönlich.
„Köpfe wie Melonen platzen lassen“
Der Produzent wurde seinerzeit bei Spiegel Online mit den Worten zitiert, er möge keinen brutalen Filme und Romero würde „richtig Köpfe wie Melonen platzen lassen“. Eine Aussage, die angesichts von Romeros Werk, nicht unzutreffend ist. Von Produzentenseite war der Zusammenschluss mit Paul W. S. Anderson vermutlich daher sehr sinnig. Man wollte einen massentauglichen Film stemmen, der es einer möglichst breiten Zielgruppe erlaubte, ein Kinoticket zu kaufen.
Und der Umstand, dass die Anderson-Filme bis zum Jahr 2016 mit Resident Evil: The Final Chapter finanziell erfolgreich fortgesetzt wurden, gibt dieser Strategie recht. Für Constantin war bei einem brutalen wohl schlicht die errechnete Zielgruppe zu spitz. Romero missfiel das alles – sogar sehr. Machtlos war er letztlich trotzdem. In seine letzten Minuten wirft Brandon Salisburys George A. Romero’s Resident Evil nochmal das Scheinwerferlicht auf die zweischneidigen Umstände, in denen sich Romero als Kreativschaffender – wissentlich, oder nicht – selber befand.
Gefangen im „… of the Dead“-Hamsterrad
Die letzten drei realisierten Filme des Zombie-Meisters waren allesamt in seinem Dead-Universum angesiedelt. Land of the Dead (2005), Diary of the Dead (2007), Survival of the Dead (2009). Unvollendet blieben zu Zeitpunkt seines Todes der Roman The Living Dead und ein weiterer Film namens The Road of the Dead. Schriftsteller Daniel Kraus wurde später herangezogen, um den letztlich im Jahr 2020 erschienen Roman fertigzustellen.
Dieser radikale Fokus auf den von ihm geschaffenen Zombie-Mythos scheint zu unterstreichen, wie sehr der individualistische Künstler kommerziellen Zwängen oder mindestens Gesetzen der Wiedererkennbarkeit mit seiner „… of the Dead“-Reihe ausgesetzt war.
Und ich persönlich? Habe letztlich die eine Stunde und fünfzig Minuten gerne mit George A. Romero’s Resident Evil zugebracht. Würde ich euch empfehlen, die knapp 20 Euro auszugeben, um euch den Film anzuschaffen? Bei Anhänger*innen von Romero oder Resident Evil: unbedingt. Alle anderen sind mit einer Verleihversion im Streaming für sehr vertretbare fünf Euro gut aufgehoben – um noch mal dem „verdammten Genie“ zu huldigen, um es in Tarantinos Worten zu sagen. Apropos Survival-Horror: Resident Evil 9 kann warten, wenn dieses neue Horror-Spiel unverhofft bei Steam aufschlägt.
Quellen: Dolphin Medien GmbH, Games Radar, New-Blood.com, YouTube / @ROEnetwork, @laserdiscphan, Spiegel Kultur,