„Potzblitz! Was ist das für ein mitreißender Trailer, den mir Bloober Team hier vor die Füße wirft?“, dachte ich mir zum Jahreswechsel, als ich eine Videovorschau zum Cyberpunk-Spiel Observer System Redux guckte. Gerade plusterte sich mal wieder eine der nicht enden wollenden Verkaufsaktionen bei Steam auf – wollte an meinen Geldbeutel.
Und, oje, ich habe zugeschlagen. Immerhin war wenige Monate zuvor das Remake zu Silent Hill 2 aufgeschlagen. Selber hatte ich bis dato noch keinen Titel des in Polen beheimateten Bloober Team angerührt. Warum mich speziell Observer System Redux angesprochen hat? Weil es ein Story-lastiges Gruselspiel in einem Cyberpunk-Setting ist. Eine originelle Mixtur, die mir so bisher nicht untergekommen war.
Übersicht
Cyberpunk-DNA dank Filmstar aus Blade Runner
Mal sehen: Ist das wirklich Rutger Hauer, der Replikant aus dem Filmklassiker Blade Runner? Im Science-Fiction-Film von Ridley Scott (Alien, Gladiator) verkörperte der damals 38-jährige Hauer (Turkish Delight, Hobo with a Shotgun) den Gegenspieler von Harrison Ford. Rund 35 Jahre nach dem in die Filmgeschichte eingegangen Streifen, brachte Bloober Team den Schauspieler für sein Detektivspiel Observer zurück. Aber auch jenseits von der Personalie Hauer, lehnt sich Observer – welches in einer später nachgeschobenen, merklich hübscheren Version den Zusatz „System Redux“ verpasst bekam – stark an Blade Runner an.
Der Trailer, welcher mich zum Kauf verleitet hat:
In der Welt von Observer regnet es ununterbrochen, Tauben spielen in der Bildsprache eine zentrale Rolle, und überhaupt ist alles in eine melancholische Stimmung getaucht. Ebenso die Musik, gewoben aus einem synthetisch anmutenden Klangteppich, strickt wie beim filmischen Vorbild eine zum Schneiden dichte Atmosphäre. Diese atmosphärischen Stärken von Observer System Redux könnten manche Spieler*innen als große Schwäche auslegen, Bloober Team vorwerfen, eine geschliffene Präsentation wäre den Macher*innen wichtiger als substantielles Gameplay. Und da ist was dran …
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Ein Cyberpunk 2077 für Fans puristischer Story-Spiele
Observer System Redux ist ein reinrassiges Story-Spiel. Angesiedelt ist der ganze Storytelling-Spaß im Jahre 2084. Das Antlitz der Erde wurde von einer todbringenden, digitalen Seuche heimgesucht – der sogenannten Nanophage. Wie es zum guten Ton einer jeden Cyberpunk-Welt gehört, ist auch in Observer System Redux sowas wie ein Sozialstaat zusammengebrochen. Stattdessen dominieren profitgierige Mega-Konzerne, neben dem sich so mancher Online-Versandhauskatalog (der mit „A“ anfängt, und auf „mazon“ endet) wie ein Wohltätigkeitsverein ausnimmt. Wir nun schlüpfen in den durchnässten Trenchcoat von Daniel Lazarski.

Dessen Job – und somit auch unserer: Als titelgebender Observer in die Gedankenwelt verdächtiger Personen eindringen, um sachdienliche Hinweise aufzusammeln. Gespielt wird das Ganze streng aus der Ego-Perspektive. Begrenzt ist auch der Schauplatz. Wir finden uns in einem verzweigten, mehrstöckigen Wohnhaus wieder, mit deren Anwohner*innen wir aufgrund eines Nanophage-Alarms ausschließlich über Sprechanlagen installiert an deren Haustüren kommunizieren.
Wer sich jetzt entzückt die Hände reibt, denkt, in Observer könne man mit gezogener Waffe auf Verbrecherjagd gehen, dem muss ich sachte den Riegel vorschieben: Das Spiel kommt komplett ohne Kämpfe aus (oder zumindest keine, an denen ihr Gameplay-technisch irgendwie beteiligt wärt). Nein, hier liegt der Fokus alleinig auf dem umsichtigen Erkunden des futuristischen Apartmentkomplexes (und den Gedankenwelten von Gewaltopfern), beziehungsweise den Gesprächen mit Mieter*innen.
Neben den ganzen, investigativen Herumschnüffeleien, erwartet euch eine absolut filmreife Tonalität. Die gelingt Bloober Team mit bildgewaltigen, doch zugleich reduzierten Mitteln.
Environmental Storytelling mit knallenden Türen und Kopfkino-Welten
Erinnert ihr euch an das experimentelle Horrorspiel P.T. von Hideo Kojima? In dem Spiel bewegt ihr euch, wie in einer Endlosschleife, immer und immer und … na, ihr wisst schon … durch denselben Hausflur. In Observer gibt es eine Stelle, wo ihr einen offenbar stark von P.T. inspirierten Korridor durchwandert. Aber das war im Verlauf meiner rund zehn Stunden Spielzeit mit diesem Cyberpunk-Spiele noch das Normalste, was ich erlebt habe.

Denn sobald ihr euch in eurer Funktion als Neuraldetektiv in das Kopfkino von Todesopfern einklinkt, betretet ihr psychedelische Gedankenwelten; vollgestopft mit mehrdeutiger Symbolik und Traumata der Verstorbenen. Ihr wandert durch Landschaften, geprägt von ineinander verlaufenden Farbfeldern, atmenden Zimmerwänden, Grafiken wie „Fehler in der Matrix“ – und Schockeffekten, die teils übelste Jump Scares sind.
In den ruhigeren Schnüffelnasemomenten, wenn ihr euch in der realen Welt durch das Wohnhaus als lethargischer Daniel Lazarski bewegt, erzählt Observer mit abrufbaren Textdokumenten auf Computerterminals; Multiple-Choice-Dialogen mit Mieter*innen an Sprechanalgen; oder den kurz angebundenen Selbstgesprächen, in die unser Scifi-Sherlock-Holmes wiederholt verfällt. Die Klangkulisse aber ist der eigentliche Star von Observer.
Hinter einer Kellertür quiekt ein Schwein (kein Witz!), in einem Stockwerk dudelt ein Liebeslied, im Hinterhof prasselt der Regen unnachgiebig hinab, oder ein Computer summt scheinheilig vor sich hin. Ich war gepackt von Klangwelten und dem Spiel drumherum.
Fazit und nächster Horrortrip mit Bloober Team
Nochmal zum Mitschreiben: Observer (System Redux) ist ein Story-Spiel, eingebettet in ein Cyberpunk-Szenario, das Fans von atmosphärisch dick auftragenden Spielen begeistern könnte. Wer hingegen einen klassischen Gameplay-Loop erwartet, wird vermutlich enttäuscht den Controller in die Zimmerecke pfeffern. Im Vergleich merkt man zudem, dass etwa Fahrenheit oder Heavy Rain mehr wie ein Hollywood-Film erzählen, respektive Life is Strange wie eine Netflix-Serie. Den Vergleich beibehaltend, wäre Observer: System Redux das Videospiel-Pendant eines Arthouse-Klassikers nach der Bauart eines The Tenant (1976).

Für mich persönlich ein traumhaftes Spielerlebnis. Abgesehen vielleicht von den weniger gelungen Schleichpassagen. Zwischenzeitlich jedenfalls habe ich mich in mein nächstes Bloober Team-Spiel reingetraut. In The Medium habe ich bislang fünf Stunden Lebenszeit gekippt. Diesmal sind’s feste Kameraperspektiven und wieder ein örtlich beschränkter Schauplatz, wohin das polnische Studio entführt.
Ich spiele dann mal weiter, hinterlasse euch dieses Cyberpunk-Spiel als freundlich gemeinten Anspieltipp. Apropos Anspielen: Karma: The Dark World haben wir angespielt, uns dabei an 1984 oder Alan Wake 2 erinnert gefühlt.
Quellen: Steamcommunity, YouTube / @BlooberTeamSA