Doch es geht noch skurriler und noch besser. Denn wo Titel wie Devil May Cry sich allein auf hochwertige Renderszenen verlassen, um die Geschichte zu erzählen, sind diese bei Bayonetta wie so vieles nur der Anfang. Das soll nicht bedeuten, dass ihre Qualität technisch oder inhaltlich zu wünschen übrig lässt. Ganz im Gegenteil: Sie sind ein Augenschmaus, wunderbar geschnitten und im Falle von Kampfsequenzen aufwändiger choreografiert sowie rasanter geschnitten, als man momentan in Hollywood zu träumen wagt. Aber es findet auch immer wieder ein Wechsel im Erzähltempo und -Stil statt. Mal gibt es in Sepia-Farbtöne getauchte Standbilder, die am Betrachter vorbeiziehen. Dann wiederum sieht man sich mit nur minimal animierten Comic-Sequenzen konfrontiert, die dann wiederum von interaktiven Filmstreifen abgelöst werden, in denen die Figuren mit ihrem Pastell-Makeup an Porzellanfiguren der 40er Jahre erinnern, während die rundherum gelungene Sprachausgabe im Hintergrund tönt. Der ständige Wechsel und die Mischung all dieser Elemente sorgt über die gesamte Spieldauer für Dramatik sowie Spannung und schafft es immer wieder ebenso zu überraschen wie das Gegnerdesign oder die zelebrierte Action.
„Mach leise“
Die Kollegen bringen es auf den Punkt: „Wenn man die Musik runterpegelt, ist die Akustik erträglich!“ Was soll man dazu sagen? Sie haben ja Recht. Wenn man nur flüchtig und vor allem in der Anfangsphase mit Bayonetta Bekanntschaft schließt, ist die Musikuntermalung nicht nur gewöhnungsbedürftig. Der J-Pop, dessen vermeintlich grausiger Höhepunkt von einer „Fly me to the Moon“-Coverversion gebildet wird, ist grenzwertig – enorm grenzwertig. Und er könnte… Nein, ich korrigiere mich: Er wird dafür sorgen, dass sich eigentlich interessierte Spieler voller Grauen von Bayonetta abwenden. Aber: Je mehr Zeit man mit ihr verbringt, desto klarer wird die Rolle der Musik in diesem künstlerischen Kleinod – und damit steigt proportional auch die Toleranz zu Gunsten des J-Pop, dessen Hauptziel eigentlich zu sein scheint, die Leute nach einem 30-sekündigen Fahrstuhltrip so schnell wie möglich aus der Kabine zu treiben.
Denn irgendwann wird deutlich, dass die Musik ebenso übertrieben ist wie das gesamte Spektakel und damit wunderbar passt. Und dass die nervenden Melodien innerhalb des annähernd 100 Songs umfassenden Soundtracks die Minderheit ausmachen. Und wer sich nicht vom Anfang abschrecken lässt, wird sie auch entdecken: Die choralen Gesänge, die getragenen Melodien und die Orchester-Einsätze, die im krassen Gegensatz zum anfänglichen Angriff aufs Trommelfell stehen. Wer allerdings dem Ratschlag vieler Redaktionskollegen folgt und die Musik runter regelt, wird ebenfalls nicht enttäuscht. Während der Zwischensequenzen fehlt dann zwar auch die Untermalung (und damit auch ein bisschen Atmosphäre), dafür treten die akkuraten Schlag- und Schussgeräusche sowie die durchweg gelungene Sprachausgabe um so mehr in den Vordergrund – wobei es nicht geschadet hätte, Bayonetta beim Ende der Kombos ein breiteres Spektrum an Beleidigungen zur Verfügung zu stellen.
Das große Drumherum
Selbst, wenn man nach ca. zehn bis 13 Stunden, einem wahrhaft pompösen Endgegner, vielen fordernden Sprungsequenzen, in denen man auch die Formwandlungsfähigkeit (die Hexe kann sich auch in einen Panther oder Vogel verwandeln) nutzen sollte, sowie einer All umfassenden Erkenntnis das Ende erreicht hat, muss das Vergnügen Bayonetta noch lange nicht enden. Denn es wird nicht nur ein neuer, wirklich fordernder Schwierigkeitsgrad freigeschaltet. Ein erneutes Spiel (egal auf welchem Schwierigkeitsgrad) wird auch dadurch gefördert, dass man auf einmal genug Heiligenscheine als Währung gesammelt hat, um in der Kaschemme „Gates of Hell“ eine der extrem kostspieligen Super-Sonderfähigkeiten zu erstehen. Diese benötigt man nicht nur beinahe zwingend, um gegen die einem alles abverlangenden Feinde zu bestehen und damit die Höchstwertung in der Level-Endbewertung zu bekommen, sondern auch, um der einen oder anderen „Alfheim“-Herausforderung begegnen zu können. Über 20 dieser gut versteckten und mit unterschiedlichen Anforderungen wartenden Geheimlevel kann man finden. Und
bewältigt man Alfheim komplett, werden die „Lost Chapter“ freigeschaltet, die nochmals frische Herausforderungen und neue Belohnungen offenbaren. Aber das alleine dürfte viel zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen. Denn während die erste Herausforderung „Besiege die Gegner mit Hexenzeit“ noch relativ einfach ist, darf man in einem späteren Alfheim-Abschnitt z.B. nur eine bestimmte Anzahl an Schlägen und Tritten verwenden oder man kann die Gegner nur durch Folterangriffe schwächen und töten. Auch hier lassen die Entwickler sämtliche kreativen Muskeln spielen und stellen einen immer wieder vor schier unlösbare Aufgaben.
Übrigens gibt es im „Gates of Hell“, das man nur vor einem Abschnitt oder an strategischen Punkten innerhalb der Abschnitte aufsuchen kann, keinen Vielkäuferrabatt. Schade eigentlich, denn mit den Lollys (!), die entweder Gesundheit bzw. magische Energie auffüllen oder auch für einen temporären Kraftzuwachs sorgen sowie zahlreichen anderen nützlichen Gegenständen macht der Barbesitzer Rodin einen Heidenumsatz, der natürlich aus Bayonettas Tasche kommt. Von Zeit zu Zeit, mit gutem Zureden und unter Einsatz einer der raren Schallplatten, die man als Belohnung bekommt, macht er sich dafür sogar kurz auf den Weg direkt in die Hölle, um blutüberströmt und mit einer neuen Waffe für Bayonetta zurückzukehren.
... Aber das sagt absolut nichts über dich aus...
Der PC-Port von Bayonetta hat heute ein kleines 22 kB Update erhalten. Der "EXTRAS" Ordner enthält nun das hier zusätzlich:
Bayonetta auf XBox 360 war 60fps, nur anscheinend mit massig Drops. PS3-Version war einfach nur ein schlechter Port via externen Studio.
Wäre doch arg überrascht, wenn die neuen Konsolen keine stabilen 60 schaffen würden.