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Jalopy (Adventure) – Rennpappe auf Reisen

Perfektes Timing: Nach dem ersten echten Wander-Simulator Where the Water Tastes Like Wine erscheint mit Jalopy ein waschechter Fahr-Simulator. Natürlich nicht, weil es an Gran Turismo erinnern würde! Sondern weil man zur Zeit des osteuropäischen Umbruchs durch Deutschland, Tschechien, Jugoslawien, Bulgarien bis in die Türkei reist und dabei die Geschichte einer vergangenen Ära kennenlernt. Dass man in einem Trabant 601, Verzeihung: einem Laika 601 unterwegs ist, den man nicht nur betanken, sondern hin und wieder auch reparieren muss, machte den Test umso interessanter.

© Minskworks / Excalibur Games

Verfahrenes Spieldesign

Das Schlimmste ist aber, dass nicht einmal das Spieldesign in irgendeiner Form die Reise widerspiegelt, die es abbilden soll. Ich kann mich zumindest nicht dran erinnern, dass ein Trabant einmal pro Tag fast auseinanderfällt. Wir mussten auch nicht alle paar Sekunden anhalten, um andere, liegengebliebene Trabanten wegen möglicher Ersatzteile zu plündern.

Abgesehen davon ist das rudimentäre Fahrverhalten kilometerweit von einer glaubhaften Simulation oder wenigstens einem flotten Arcade-Gefühl entfernt. Die Oberflächenverhältnisse der dürren Fahrbahnschläuche ändern sich außerdem ständig und von den wenigen weiteren sowie deutlich schnelleren Verkehrsteilnehmern hupen viele auf einer dreispurigen Autobahn noch hinter dem Trabi, anstatt einfach vorbei zu fahren.

Kurz: Das wichtige Gefühl auf Reisen zu sein ist nahezu komplett abwesend.

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Nein, auch in die Überschriften der Zeitungen fangen den Zeitgeist nicht ein. © 4P/Screenshot

Notizen statt Pointen

Zu allem Überfluss kommt der Onkel auf dem Beifahrersitz kaum über die Rolle eines Stichwortgebers wenig interessanter Notizen heraus. Er sinniert zwar über die Zeit der Ostmacht und den gesellschaftlichen, politischen sowie wirtschaftlichen Wandel, doch was er sagt, beschränkt sich oft auf profane Stichpunkte. Wo der Laika gebaut wurde, versucht er sich etwa zu erinnern. In Berlin. Oder war es Leipzig?

Joa.

Sein Trabi würde im Winter, Frontantrieb sei Dank, jeden andere Wagen abhängen, am Berg erst recht – so schwärmte MEIN Onkel damals von seinem Liebling. Und als wir am Balaton schließlich ein BMW-Motorrad, also das lebensechte Exemplar eines originalgetreuen West-Vehikels entdeckten, stand bereits eine Traube Ossis drum rum und staunte sich die Seele aus dem Leib. Warum wirft Pryjmachuk nicht solche Pointen ein?

Ich muss außerdem das virtuelle Radio erwähnen, in dem gelegentlich die ersten Noten der Nationalhymne der DDR gespielt werden oder ein Sprecher gar den Namen eines Berliner Senders erwähnt – und danach wieder verstummt. Zeitgemäße Musik? Fehlanzeige. Programme, die kurze Beiträge vielleicht zu den Vorgängen der Wendezeit senden? Schön wär’s! Schön wär’s tatsächlich, denn wie einfach hätte man auf so einfache Art einen erzählerischen Zugang schaffen können.

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So unterhaltsam es scheint, den Laika zu warten, so müßig ist das auf Dauer. © 4P/Screenshot

Eine Erledigung, zwanzig Wege

Es ist ja verdammt sympathisch; diese Idee, dass man vom Scheibenwischer über die Fensterheber bis hin zum Zigarettenanzünder alles per Hand bedient. Dass man beim Reifenwechsel den Wagenheber ansetzt, die Kurbel dreht und dann eine Reparatur vornimmt. Dass sogar die Motorhaube erst aufgeht, nachdem man vom Fahrersitz aus die Verriegelung aufhebt.

Aber nicht einmal an dieser Stelle beweist Pryjmachuk, der bis 2014 immerhin bei Codemasters an Formel-1-Spielen gearbeitet hat, ein gutes Händchen für motivierendes Design. Man muss nämlich bei jedem Stopp, ja jedem noch so kurzem Halt dermaßen viele Klicks auf teils viel zu kleine Zielobjekte ausführen, dass mir schneller der Spaß daran verging als man „Knall die Tür nicht so, das ist doch kein Trabi!“ sagen kann.

Und wehe, ihr packt sowohl Kofferraum als auch Dachgepäckträger mit gefundenen Waren voll! Euer Alter Ego kann nämlich gerade mal drei Artikel tragen. Drei! Stellt euch deshalb darauf ein, zum Auto zu laufen, nacheinander drei Gegenstände aufzunehmen, in den Laden zu laufen, sie dort einzeln abzugeben, wieder zum Fahrzeug zu laufen, nacheinander drei Gegenstände aufzunehmen… beim siebten Mal hatte ich die Nase voll. Nur war die Beute da noch lange nicht abgeladen.

  1. Schade, dabei finde ich die grundsätzliche Idee eines Auto-Roadtrips sehr ansprechend.
    Vielleicht kaufe ich es mal, wenn es eines Tages über Steam verramscht wird und VR-Unterstützung erhält.

  2. Es gibt eine kleinen Fehler im Test. Man kann zwar nur drei Gegenstände tragen, es gibt aber an den Tankstellen Kisten. Diese kann man Tragen und dort bis zu 12 Objekte reinlegen. Man schnappt sich also drei Kisten, stellt sie vor den Kofferaum und packt seine ganze Schmuggelware dort hinein. Die Kisten kann man dann vollgepackt an der Kasse abgeben.
    Die Bewertung des Tests ist zutreffend. Habe mich sehr auf das Spiel gefreut, bei Steam aber eine schlechte Bewertung gegeben obwohl ich das Spiel ca. 20 Stunden gespielt habe. Was bei mir zu dieser Bewertung geführt hat, fehlt im Test leider. Und das ist das das Spiel an massiven Bugs leidet. Ich fange hier garnicht erst an wieviele frustirerende Bugs es gibt. Da kann man sich in den Steam Kommentaren ein gutes Bild machen. Das Spiel wirkt leider immer noch als wäre es am Beginn seiner Early Acces Phase. Schade.. denn die Idee war gut...

  3. Autsch! Vernünftig umgesetzt, hätte das Szenario durchaus seinen Charme. Aber wenn man daraus eine Pseudo-Sim für hyperaktive, ständig irgendwas reparieren, einsammeln oder sonstiges müssen; mit der Aufmerksamkeitsspanne einer Stubenfliege macht, die sich im besten Falle nicht mehr dran erinnern können, dass die letzte Stadt genau so aussah, kann das nur schief gehen. Und wenn man es dann noch schafft, jegliches Flair der Zeit zu ignorieren, dann hätte man sich das ganze Spiel sparen können...

  4. Gibts auch ein Upgrade auf den 1.1? Was war das herrlich, nach der Wende damit die Westkutschen abzuhängen! Die Gesichter der Benz-Fahrer werd ich mein Lebtag nicht mehr vergessen! :mrgreen:

  5. 4P|Benjamin hat geschrieben: 05.04.2018 13:17 Ach. ;) Aber die Ruine stand ja groß und deutlich da und gerade die wäre ein tolles Symbol für die sozialistisch geprägte Stadt gewesen.
    Dieser riesige, damals praktisch komplett unbebaute Platz mit dem vermeintlichen Mahnmal... Wir sind ständig daran vorbei gelaufen - das war ein sehr markantes Bild.
    Müssen gute Erinnerungen gewesen sein. Dank des Tests weiß ich nun auch, weshalb wir uns in Dresden im GameStop begegnet sind. (War dort Verkäufer und fragte, ob ich helfen könne. War erst vergangenes Jahr.)

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