Das Mittelalter, so grausam es auch war, hat reichlich Nährboden für allerlei spannende Geschichten über Ehre und Intrigen bereitgehalten, die uns noch heute inspirieren. Von Zeitreisen können wir zwar keinen Gebrauch machen, um uns in die raue Welt von damals hineinzuversetzen, aber dafür segnet uns die moderne Technik mit der zweitbesten Methode: immersiven Spielen wie Kingdom Come: Deliverance 2.
Im ersten Teil des RPGs haben wir Schmiedesohn Heinrich dabei begleitet, wie er sich aus den Trümmern seines alten Lebens erhoben hat und dabei in die Geschicke des gesamten Reiches Böhmen verwickelt wurde. Nun dürfen wir endlich das nächste große Kapitel seines Abenteuers aufschlagen und ins Unbekannte aufbrechen. Ich konnte mich bereits ausführlich damit vertraut machen, was sich Warhorse Studios für die ersehnte Fortsetzung ausgedacht hat und fälle im Test mein Urteil dazu.
Ich muss ja nur einen Brief überbringen
Am Ende von Heinrichs letztem Auftritt war klar, dass dieser den Weg für eine direkte Fortsetzung freihält. Immerhin feiern er und sein Freund Hans Capon kurz vor den Credits kein ausgelassenes Happy End, sondern bereiten sich auf eine wichtige Mission vor. Sigismund, der seinem Bruder Wenzel den Thron von Böhmen streitig macht, muss aufgehalten werden, weshalb Hans und Heinrich den Auftrag erhalten, Otto von Bergow als mächtigen Verbündeten zu gewinnen. Ein einfacher Botengang, der mit der Übergabe eines Briefes enden soll, tritt jedoch stattdessen eine Lawine unglücklicher Ereignisse los.
Die Story ist einer der wichtigsten Aspekte an Kingdom Come: Deliverance, weshalb ich Teil zwei diesbezüglich besonders intensiv unter die Lupe genommen habe. Ich kann also mit voller Überzeugung sagen: Warhorse Studios enttäuscht hier definitiv nicht. Teilweise sitze ich beim Spielen wie gefesselt vor dem Bildschirm und fühle mich wie ein Studio-Publikum bestehend aus einer einzigen Person, so wie ich lache, Ausdrücke der Verwunderung von mir geben und den Charakteren lautstark die Daumen drücke.
Ein Puzzle mit allen Teilen
Zwar bedient sich KCD vieler klassischer Erzählelemente, setzt diese aber keineswegs plump oder übermäßig klischeehaft ein. Wendungen fliegen mir gefühlt nur so um die Ohren, während sich nach und nach ein immer wieder angedeutetes Gesamtbild zufriedenstellend zusammenfügt. Zwischendurch scheut sich das Spiel nicht davor, auch mal auf die Bremse zu treten und nimmt sich die Zeit für Albernheiten und kleine Momente zum Genießen.
Dabei heben verschiedene Aspekte der Story auf clevere Art und Weise unterschiedliche Aspekte des Gameplays hervor, wodurch sich das ganze Unterfangen äußerst abwechslungsreich gestaltet – das Pacing ändert sich ständig. Manche Abschnitte haben mich nicht ganz so fest am Haken wie andere und einige davon scheinen mehr als reines Füllmaterial zu dienen, wobei ich vor allem eine ganz bestimmte Quest im Kopf habe.
Aber meine starke Motivation, herauszufinden, wie es weitergeht, leidet darunter nie. Auch die Charaktere mit ihren ausgeprägten Persönlichkeiten tragen ihren Teil dazu bei. Vor allem unterhält mich Hans Capon, dessen Temperament nur so aus ihm herausquillt.
Es ist Heinrichs Welt und ich lebe nur darin
Was mir anfangs nicht bewusst war und mich deshalb erst irritiert hat, ist, dass die Handlung von Kingdom Come: Deliverance 1 und 2 sehr geradlinig verläuft. Ich präge mein Schicksal also eher in nebensächlichen Belangen, während ich durch eine feste Reihe an Abläufen geführt werde.
Heinrich ist ein vorgegebener Protagonist mit einem eigenen Kopf und ich muss auch damit rechnen, dass er an manchen Punkten sein eigenes Ding durchzieht, ohne mich dabei jedes Mal nach meiner Meinung zu fragen. Nach anfänglichen Zweifeln und etwas Eingewöhnungszeit macht mir dieses Prinzip richtig Spaß. Es ist komplexes Rollenspiel: Ich muss zu Heinrich werden und nicht Heinrich zu mir. Unter anderem entsteht so die kraftvolle Immersion des Spiels.
Und dann wäre da noch eine frische Idee für den Hauptcharakter…
Überraschenderweise ist Heinrich jedoch nicht der einzige spielbare Charakter. Ein gewisser sündenbehafteter Pater namens Godwin übernimmt die Hauptrolle in einigen kürzeren Abschnitten. Heinrich selbst und alle, die mit dessen Geschichte vertraut sind, kennen ihn bereits aus einer berüchtigten Questreihe. Seine Auftritte dienen in KCD 2 eher als erzählerische Einschübe, wobei ich ihn teilweise auch frei durch die Spielwelt bewegen kann.
Ehrlicherweise bin ich mir nicht richtig sicher, was ich von diesem Zusatz halten soll. Mir gefällt, dass Warhorse etwas neues wagt und damit beweist, nicht nur rein nach der Blaupause des ersten Teils zu arbeiten. Das Story-Erleben wird dadurch interessanter, aber ich kann mich nicht so ganz damit abfinden, mittendrin aus der Identität von Heinrich gerissen und in die Haut einer Person gesteckt zu werden. Nachdem ich als Spielerin so sehr mit Heinrich verschmolzen bin, fühlt sich eine andere Perspektive unangenehm befremdlich an.
Teil 1 war toll, der lief auch noch auf meinem PC, habe dann aber doch stellenweise 1-2 Cheats benutzen müssen, da ich kein Welt-Spieler (mehr?) bin. Auf den Konsolen geht das jetzt nicht und es gibt auch keinen mod - Support oder so, richtig?
Dann kommt das - bis dahin sicher ausgepatcht - wohl lieber auf meine "ganz weit weg, wenn ich mal 1 neuen PC habe" - Warteliste. Aber guter Test!
Gut zu wissen dass das Kampfsystem entschlackt wurde!
Sind einfache Bauern und Banditen immer noch Pariermeister die auch noch kontern wie blöd, und funktionieren diesmal die Kombos? Im Vorgänger schienen die nur im Training ausführbar, während echte Gegner einfach kontern oder zu schnell gestorben sind.