Bae before Bay?
Auch auf Max‘ Vergangenheit habt ihr einen direkten Einfluss. Schon früh im ersten Kapitel könnt ihr festlegen, wie ihre Zeit in Arcadia Bay geendet ist und was danach passierte. Hat sie Chloe opfern müssen, um die Stadt zu retten? Oder ist sie mit ihr durchgebrannt und hat ihren Heimatort dem Sturm überlassen? Und waren die beiden jungen Frauen danach einfach nur beste Freundinnen? Oder gar ein Paar? Eines steht jedoch fest: Den Kontakt haben sie mittlerweile verloren.
Entwicklerstudio Deck Nine, das die Spielereihe von Don’t Nod Entertainment übernommen hat, versichert, dass es keine Vorkenntnisse zum Spielen von Double Exposure braucht. Und faktisch gesehen stimmt das auch – es wird aber meiner Meinung nach nur gesagt, damit sich niemand ausgeschlossen fühlt und heutzutage gefühlt jeder Spieleentwickler das sagen muss, wenn er die Fortsetzung einer Spielereihe herausbringt. Dabei ist es auch völlig okay, wenn es mal ein Spiel gibt, das nicht für absolut jede*n geeignet ist.
Die Ereignisse von Double Exposure finden natürlich völlig losgelöst von allen anderen Life is Strange-Spielen statt, aber es wird so oft auf Max‘ Vergangenheit Bezug genommen, auf Chloe, auf Arcadia Bay, auf die Ereignisse an der Blackwell Academy, was man einfach nicht versteht, wenn man den ersten Teil nicht gespielt hat. Daher widerspreche ich den Entwickler*innen und halte es für fahrlässig, diese Spiele nicht als obligatorisch zusammengehörig zu betrachten.
Neben den mannigfaltigen Situationen in Laufe der Geschichte, in der ihr die Entscheidung treffen könnt, in welche Richtung sie sich entwickelt, könnt ihr auch im Hintergrund viele Optimierungen vornehmen. Das geht von den mittlerweile geläufigen Barrierefreiheitseinstellungen, Wechsel zwischen Qualitäts- und Performancemodus bis zu Max‘ Garderobe, die ihr vor jedem Kapitel oder bei Szenen in ihrem Haus anpassen könnt.
Auffällig ist eine beeindruckende Anzahl am möglichen Trigger-Warnungen, die ihr aktivieren könnt. So erscheinen optional Warnhinweise auf dem Bildschirm, wenn in der Story Waffengewalt oder Drogenkonsum zu sehen ist oder sensible Themen wie Misshandlung oder Suizid angesprochen werden.
Typisch Max: Mehr Probleme schaffen als lösen
Die Story wartet wie gewohnt mit Cliffhangern zwischen den Kapiteln und mal mehr, mal weniger vorhersehbaren Wendungen auf. Es ist wohl nicht zu viel verraten, wenn ich sagen, dass es für Max nicht gerade einfacher ist, mit zwei Zeitlinien zu jonglieren als in der Zeit zurückzureisen. Trotzdem werden meiner Meinung nach nicht alle Fragen geklärt und das ein oder andere Fass aufgemacht, aus dem dann nicht getrunken wird.
Max‘ Tagebuch und das soziale Netzwerk werden regelmäßig geupdated – so erfahrt ihr mehr über das Innenleben der Protagonistin und eure Gefährt*innen. Ich hätte aber gerne öfter die Möglichkeit gehabt, auf Nachrichten zu antworten. Besonders der „Gesprächsverlauf“ mit ihren Eltern, Safis Mutter Yasmin oder ihrem potenziellen Schwarm Amanda lässt Max wie eine ghostende Bitch dastehen.
Überraschend fand ich hingegen, wie sich manche Charaktere wandeln können. War ich anfangs noch auf der Seite von einigen gewissen Person, wollte ich mich gegen Ende von ihnen abwenden; von anderen, die ich zu Beginn als unsympathisch abgestempelt hab, merkte ich zum Schluss, dass sie doch ganz okay sind. Diese Erfahrungen wird aber jede*r unabhängig machen müssen, denn natürlich verhalten sich eure Kolleg*innen, Student*innen und Freund*innen abhängig von euren Entscheidungen.
Wenn die innere Stimme zu laut ist
Punktabzug gibt es für die Performance. Durch den Einsatz von Unreal Engine 5 sehen die Charaktermodelle weniger comichaft aus, wirken in manchen Situationen aber unnatürlich steif. Auch sind technische Mängel zwar selten, aber spürbar. So flackern Hintergrundcharaktere in manchen Cutscenes auffällig, in einer Szene in Kapitel 3 fehlte plötzlich völlig die Sprachausgabe (nicht aber die Hintergrundgeräusche), bis ich den Schauplatz verlassen und wieder betreten hab.
Auch überlappen sich an einigen Stellen Dialog und innerer Monolog, was selbst mit Untertiteln schwer zu verfolgen ist. Die Dauer des Spiels ist mit etwa zwei bis zweieinhalb Stunden pro Kapitel – je nachdem wie viel Zeit ihr euch beim Erkunden nehmt – erwartbar überschaubar, die Wahrscheinlichkeit für einen zweiten Durchlauf, ob direkt danach oder mit ein paar Monaten Abstand, ist jedoch hoch.
Max Rückkehr nach zehn Jahren zeigt anschaulich, dass einen die Vergangenheit zwar nicht unbedingt einholt, aber einmal mehr, dass die Konsequenzen einschneidend sein können, wenn man sich in zu viele Angelegenheiten einmischt (auch ohne übersinnliche Fähigkeiten). Max‘ Probleme sind nicht mehr die einer blutjungen und unerfahrenen Studentin, sondern die einer erwachsenen Frau, die schlimme Erfahrungen gemacht, sich aber auch Respekt erarbeitet und zu einer Dozentin an einer angesehenen Universität gemausert hat.
Aber egal in welcher Lebensphase – Probleme entstehen immer wieder, Freund*innen kommen und gehen und es wird immer Leute um einen herum geben, die Dinge verheimlichen und Situationen zu ihrem Vorteil nutzen. Ist es der Weg, mit Superheldenfähigkeiten davor wegzulaufen? Das müsst ihr selbst herausfinden. Das Spiel erscheint am 29. Oktober für PlayStation 5, Xbox Series X|S und PC.