Das letzte Mortal Kombat liegt bereits vier Jahre zurück. Doch jetzt heißt es wieder „Finish Him“. Mortal Kombat 11 möchte auf den Tugenden des Vorgängers aufbauen und die Spieler nicht nur mit einer vollkommen überzogenen Gewaltdarstellung, sondern auch einer weiterentwickelten Mechanik sowie einer hochklassig inszenierten Story begeistern. Und Letzteres ist zweifellos gelungen. Direkt an die Ereignisse des Vorgängers anschließend, rufen die Netherrealm Studios rund um Serien-Veteran Ed Boon alle Register auf. Kameraeinstellungen, Drehbuch, Action, Soundtrack: Alles ist von allererster Güte und erinnert sehr häufig an die Superhelden-Verfilmungen aus den Häusern DC und Marvel, dann wiederum an Peter Jacksons Herr-der-Ringe-Trilogie mit ebensoviel Pathos. Über die etwa sechs Stunden, in denen man gut 50 Kämpfe bestreitet, die von teils dramatischen, teils witzigen, aber jederzeit sehr unterhaltsamen Zwischensequenzen umrahmt werden, springt man nicht nur von Protagonist zu Protagonist.
Mitunter kann man zwischen zwei zur Verfügung stehenden Figuren wählen, wobei sich der Wiederspielwert dennoch in Grenzen hält, da sich die Wege bis zum Ende des jeweiligen Kapitels nur kurzzeitig entfernen. Dennoch: Von der Intensität, mit der Netherrealm mit seinen letzten drei Spielen den Storymodus in Prüglern weiterentwickelt hat, kann sämtliche fernöstliche Konkurrenz nur träumen. Nicht nur, dass man die Geschichte um die gleichermaßen charismatische wie machthungrige Zeithüterin Kronika erweitert hat, die in ihren besten Momenten an die von Cate Blanchett eindrucksvoll verkörperte Hela aus Thor Ragnarok erinnert. Man nimmt Bezüge auf viele ältere Episoden der Geschichte und führt diese nicht nur glaubwürdig zusammen, sondern nutzt die Story um mehrere Zeitebenen auch, um klassische mit neuen Figuren auf einen Bildschirm zu bringen. Dass die Atmosphäre dabei von der im Vergleich zu Injustice 2 nochmals verbesserten Mimik sowie den nahtlosen Übergängen zwischen Cutscene und Kampfintro profitiert, versteht sich von selbst. Die deutsche Lokalisierung kann zwar nicht mit Stars wie Ronda Rousey (UFC, WWE, Expandables 3) in der Rolle von Sonya Blade aufwarten. Da diese aber ohnehin nicht mit der allgemeinen Qualität und Erfahrung ihrer Kollegen wie Jennifer Hale (Weibliche Sheperd aus Mass Effect) oder Troy Baker mithalten kann und in entscheidenden Situationen die Emotionen nicht vollends vermitteln kann, vermisst man sie angesichts der durchweg guten deutschen Lokalisierung nicht wirklich.
Reduzierter Fortschritt
Doch die Story wäre nur halb so unterhaltsam, wenn das Kampfsystem nicht mithalten würde. Und auch hier übertrifft sich Netherrealm. Nicht nur, dass man ein ausuferndes Tutorial anbietet, das auf jede Facette der an der Oberfläche simplen, aber mit seinem Timing-basierten Kombo-System durchaus komplexen Mechanik eingeht. Basis-Angriffe, Verteidigung, Kombos, die Modifikation von Angriffen über den auf der rechten Schultertaste liegenden Verstärker, der allerdings ein Segment der neuen Angriffs-/Verteidigungsanzeige frisst, die Wichtigkeit der Framezahlen bei Vorlauf und Ausführung von Attacken: Nichts bleibt unerwähnt. Zudem gibt es für jede der über 20 Figuren ein eigenes Kapitel, das sich mit einigen der verfügbaren Spezialangriffe beschäftigt, so dass man für die Duelle auf einem hervorragenden Fundament steht. Mortal-Kombat-Veteranen dürfte dabei auffallen, dass das Spieltempo im Vergleich zum Vorgänger reduziert wurde. Es gibt keine Sprinttaste mehr und die Duelle sind im Allgemeinen etwas träger, wodurch auch die taktische Seite der hektoliterweise Bildschirmblut bietenden Gefechte betont wird. Auf dem Weg zu den Finishern (die übrigens in der Story keine Rolle spielen und nur in den übrigen Modi möglich sind) kommt es weiterhin auf gutes Timing, Erahnen der gegnerischen Attacken oder das Erkennen der Kombos an, um den Block setzen zu können. Und mit zwei weiteren Elementen können verloren geglaubte Kämpfe evtl. noch umgebogen werden. Die mit Röntgen-Einstellungen versehenen wuchtigen „Krushing Blows“ werden zwar automatisch ausgelöst, benötigen aber bestimmte Voraussetzungen zur Aktivierung wie Konter-Situationen etc.
Nun ist ja schon einige Zeit seit dem Release (und dem Test) vergangen, aber ich möchte dennoch auf zwei Kritikpunkte des (sehr gut geschriebenen) Tests eingehen. Mittlerweile fallen die Belohnungen der Tower sehr üppig aus, die man zudem in vielen Fällen von seiner KI grinden lassen kann. Auf diese Art habe ich nun schon ca. drei Viertel aller Kisten (ohne die Soul Vessels) öffnen konnte nach ungefähr 30 Stunden Spielzeit. Den Ingame-Shop sehe ich als vollkommen unproblematisch an, da dort, wie hier im Forum bereits erwähnt wurde, nur Skins und Moves im Angebot sind, die man ohne großen Aufwand freischalten kann. Ich muss sagen, dass ich mir sogar wünsche, dass man die Time Crystals für Herzen oder Seelen ausgeben kann, denn so sammel ich die Kristalle ohne sie jemals wirklich ausgeben zu können.
Alles in Allem muss ich sagen, dass MK 11 das beste Kampfspiel ist, das ich jemals gespielt habe (zocke seit MK 2). Kann echt nur jedem Prügel-Freund empfehlen es auszuprobieren.
Btw. (also nicht ganz topic)
Unabhängig vom Spiel und dessen hier thematisierten Umsetzung frage ich mich mit Blick auf den Eröffnungstext des Artikels, ob es nicht Zeit für einen tatsächlich reflektierenden Artikel zum Thema Jugendschutz ist. Mir persönlich stellt sich bei einigen Titeln und deren nachträglichen Prüfsiegelvergabe mittlerweile die Frage was macht eine tatsächlich gewaltverherrlichende Darstellung heute weniger jugendgefährdend als vor einem Jahrzehnt?
Nun ja. Und es ist auch mehr als nur sein Gore bei den Finishern.