Noch wichtiger sind die so genannten „Fatal Blows“. Diese sind möglich, sobald die Lebensenergie unter ein bestimmtes Limit gefallen ist und können bei Erfolg dem Gegner über ein Drittel seiner Gesamtenergie rauben. Allerdings muss man sie mit Bedacht einsetzen. Denn sie stehen im Kampf nur einmal zur Verfügung. Werden sie geblockt oder trifft man nicht, weil man z.B. nicht die richtige Entfernung zum Gegner hat, darf man aber nach kurzer Zeit einen neuen Versuch unternehmen – wenn man so lange überlebt. Kommen sie durch, sind sie nicht nur ein probates Mittel, um die Verliererstraße zu verlassen. Sie sind außerdem beinahe ebenso spektakulär inszeniert wie die Finisher. Apropos: Fatal Blows, Fatalities, die Brutalities und sogar manche der Krushing Blows setzen die Serientradition mit ihrer vollkommen überzogenen und mitunter sogar ins schlichtweg Schwarzhumorige gleitenden Gewaltdarstellung nahtlos fort. Wo Mortal Kombat draufsteht, ist Pixelblut drin – in Massen. So wie es immer war und genau so, wie es sich die Fans wünschen. Dass mitunter an der Grenze des guten Geschmacks gerüttelt wird, ist gut und wichtig – zumal sich Ed Boon und sein Team des selbstironischen Tons bewusst sind, der auch in der Story transportiert wird. Innerhalb der Spielwelt sind auch absurde Situationen glaubhaft.
Die Motivation bröckelt
Bis hierhin deutete alles darauf hin, dass sich Mortal Kombat 11 als erstes Prügelspiel in diesem Jahrzehnt auf Platinkurs befindet. Denn die Stärken der Kampfmechanik, die von einer starken Kollisionsabfrage unterstützt wird, bei der die minimal auftauchenden Aussetzer nicht ins Gewicht fallen, kommen natürlich nicht nur solo zum Tragen. Dank eines schnellen Einstiegs und eines klaren Regelwerks kommen auch Anfänger schnell zu Erfolgen. Die gut animierten Ergebnisse der präzise umgesetzten Eingaben (die Tasten lassen sich frei konfigurieren) sorgen zusammen mit dem Hin und Her, das mit jeder entdeckten Kombo dynamischer wird, für das berühmt-berüchtigte „Komm, nur noch eine Revance – jetzt weiß
ich, wie oder mit wem ich dich knacken kann…“ Angesichts dieser hohen Basismotivation ist es allerdings schade, dass Netherrealm abseits der Zwei-Spieler-Duelle sowie der Story bei den übrigen Spielmodi den falschen Fokus gesetzt hat. Die Online-Optionen bieten eigentlich genug: Lobbys, Einzel-Duelle, KI-Auseinandersetzungen, bei denen man personalisierte und mit kampftaktischen Vorgaben versehene Dreierteams gegeneinander antreten lassen kann, Ranglistenmatches – es bleiben eigentlich keine Wünsche offen. Doch trotz langjähriger Erfahrung hat es Netherrealm immer noch nicht geschafft, ein komplett lagfreies Spielerelebnis anzubieten. Es wird zwar die Verbindungsqualität zum nächsten Kontrahenten angezeigt und man kann in manchen Modi auch das Duell ablehnen. Doch selbst wenn alles „im grünen Bereich“ ist, können Lags auftreten – was bei einem Prügler, in dem einzelne „Frames“ wichtig sind, frustrieren kann. Dass Mortal Kombat 11 zudem auch in manchen Solo-Situationen den Dienst versagt, wenn man nicht online ist, da offensichtlich Spieldaten auf den Servern ausgelagert werden, stört zusätzlich.
Ebenfalls problematisch und ein Punkt, den Netherrealm nach eigenen Angaben bereits optimieren möchte, ist der allgemeine Fortschritt mit seinem Belohnungssystem. Jede der über 20 Figuren bietet haufenweise Freischalt-Optionen, vieles davon ist kosmetischer Natur. Doch man kann auch neue Ausrüstung, frische Moves, Finisher, Brutalities, einsetzbare Upgrades und vieles mehr für seine Favoriten finden. Doch nur das Wenigste bekommt man über die Story. Alles andere
findet man entweder in den Türmen, die ähnlich wie im Vorgänger oder den Multiverse-Planeten aus Injustice 2 unter einem bestimmten Thema stehen. Diese erschweren häufig mit Umwelteinflüssen oder Buffs die Kämpfe, während man benutzbare Gegenstände auswählen und über den rechten Stick aktivieren darf, um diesen Einflüssen entgegenzuwirken oder sich einen allgemeinen Vorteil zu verschaffen. Man kann sogar bestimmte charakterspezifische Türme freischalten. Doch bei den Türmen fällt im Allgemeinen ein sehr unausgewogener Schwierigkeitsgrad auf: Ein Turm wird mit „Mittel“ gekennzeichnet und lässt sich verhältnismäßig unproblematisch bewältigen. Der nächste mit der gleichen Kennzeichnung stellt eine nicht zu überwindende Hürde dar. Dazu kommt, dass für bestimmte Turm-Fortschritte (insbesondere bei den Charaktertürmen) erst bestimmte Ziele erreicht werden müssen. Während z.B. 40 Fatalities relativ schnell zusammen kommen, sind 50 Brutalities weitaus schwieriger zu erreichen. Und damit schrammt man nicht nur bedrohlich nah an der Grind-Grenze entlang, sondern überschreitet sie mitunter zu Lasten der Motivation. Dass man seine Spieler auch mittelfristig halten und an das Objekt der Begierde (in diesem Fall MK11) binden möchte, ist legitim. Doch angesichts der eigentlich prall gefüllten Inhaltsschatulle, den sehr guten bis hervorragenden Basismechaniken und vor allem der Erfahrung aus Injustice 2, wo das Belohnungssystem stimmiger integriert war und optimierter schien, ist diese Grind-Option nicht nur billig, sondern unnötig.
Nun ist ja schon einige Zeit seit dem Release (und dem Test) vergangen, aber ich möchte dennoch auf zwei Kritikpunkte des (sehr gut geschriebenen) Tests eingehen. Mittlerweile fallen die Belohnungen der Tower sehr üppig aus, die man zudem in vielen Fällen von seiner KI grinden lassen kann. Auf diese Art habe ich nun schon ca. drei Viertel aller Kisten (ohne die Soul Vessels) öffnen konnte nach ungefähr 30 Stunden Spielzeit. Den Ingame-Shop sehe ich als vollkommen unproblematisch an, da dort, wie hier im Forum bereits erwähnt wurde, nur Skins und Moves im Angebot sind, die man ohne großen Aufwand freischalten kann. Ich muss sagen, dass ich mir sogar wünsche, dass man die Time Crystals für Herzen oder Seelen ausgeben kann, denn so sammel ich die Kristalle ohne sie jemals wirklich ausgeben zu können.
Alles in Allem muss ich sagen, dass MK 11 das beste Kampfspiel ist, das ich jemals gespielt habe (zocke seit MK 2). Kann echt nur jedem Prügel-Freund empfehlen es auszuprobieren.
Btw. (also nicht ganz topic)
Unabhängig vom Spiel und dessen hier thematisierten Umsetzung frage ich mich mit Blick auf den Eröffnungstext des Artikels, ob es nicht Zeit für einen tatsächlich reflektierenden Artikel zum Thema Jugendschutz ist. Mir persönlich stellt sich bei einigen Titeln und deren nachträglichen Prüfsiegelvergabe mittlerweile die Frage was macht eine tatsächlich gewaltverherrlichende Darstellung heute weniger jugendgefährdend als vor einem Jahrzehnt?
Nun ja. Und es ist auch mehr als nur sein Gore bei den Finishern.