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PlayStation Classic (Hardware) – Enttäuschende Mini-Konsole

Mit dem NES und SNES Mini hat Nintendo eine neue Retro-Welle ausgelöst, auf der mittlerweile auch viele andere Hersteller mitreiten wollen. So auch Sony, wo man mit der PlayStation Classic die erste Konsole würdigen und deren prägende Spiele wieder aufleben lassen will. Wir haben die PlayStation im Mini-Format ausprobiert und schildern im Test unsere Eindrücke von der Verarbeitung, der Spieleauswahl und der Qualität der Emulation…

© Sony / Sony

Keine Einstellungsoptionen

 

Es geht schon damit los, dass es keinerlei Bildoptionen gibt. Man findet weder optionale Texturfilter noch Scanlines oder mögliche Anpassungen beim Bildformat. Stattdessen muss man mit der vorgefertigten Bildausgabe leben. Dort kommt zwar bei einer festgelegten Auflösung von 720p ebenfalls eine voreingestellte Filter-Methode zum Einsatz, aber letztlich ist die Darstellung aufgrund von ausgewaschenen Farben, fehlender Schärfe und dem stark ausgeprägten Dithering-Effekt enttäuschend. Hinzu gesellen sich Performance-Probleme in manchen Spielen, obwohl dem System mit dem Vierkern-Prozessor von ARM in Kombination mit der PowerVR GE8300 GPU und einem Hauptspeicher von 1GB RAM eigentlich mehr als genug Leistung zur Verfügung stehen sollte, um eine perfekte Emulation zu ermöglichen.

Leider ist teilweise das Gegenteil der Fall: Neben fehlerhaften Sounds bewegt sich z.B. Ridge Racer Type 4 hinsichtlich der Bildrate hart am Limit, während Grand Theft Auto zu einer einzigen Ruckelorgie verkommt, die man sogar schon als unspielbar bezeichnen darf. Nicht nachvollziehbar erscheint außerdem die Entscheidung, bei neun der 20 Spiele die häufig stiefmütterlich angepassten PAL-Versionen unter die Spielauswahl zu mischen und sie auch noch ausgerechnet dort vorzuziehen, wo die NTSC-Versionen in besonderem Maße sinnvoller gewesen wäre. So z.B. beim Fighting Game Tekken 3, bei dem man sich hier mit der PAL-Version abfinden muss, bei der das Spieltempo spürbar gedrosselt wird. Der negative Einfluss

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Die Spieleauswahl beinhaltet zwar auch Highlights, aber viele Meilensteine aus der PlayStation-Ära glänzen mit Abwesenheit. © 4P/Screenshot

des Input-Lags schwankt je nach Titel: Bei manchen ist es etwas ausgeprägter und fast schon störend, bei anderen fällt es dagegen kaum auf oder ins Gewicht.    

Diskussionswürdige Spielauswahl

Sony wollte seiner ersten Konsole mit der PlayStation Classic ein Denkmal setzen und die Spieleauswahl sollte widerspiegeln, welche außergewöhnlichen Titel diese Ära geprägt haben. Tatsächlich finden sich einige Highlights in der Sammlung – allen voran die bereits erwähnten Klassiker Tekken 3 und Metal Gear Solid, aber auch spielkulturelle Schwergewichte wie Resident Evil oder Final Fantasy VII. Gleichzeitig vermisst man eine Vielzahl an Spielen und Marken, die man teilweise noch viel stärker mit dem Namen PlayStation in Verbindung bringen würde und die wesentlich zum Erfolg der Konsole beigetragen oder sogar Genres revolutioniert haben. Wo sind z.B. WipEout, Crash Bandicoot, Tomb Raider, Silent Hill, Ehrgeiz oder Gran Turismo – immerhin eine der bis heute erfolgreichsten PlayStation-Marken?

Einige dieser großen Namen spuken zumindest angeblich im Quellcode innerhalb der Classic-Konsole herum und waren offenbar mögliche Kandidaten, doch hat man sich – warum auch immer – doch gegen die Veröffentlichung entschieden. Und was bekommt man stattdessen? Ein Battle Arena Toshinden, das neben einem Tekken 3 verblassen und völlig überflüssig erscheint. Oder ein Jumping Flash!, das schon als Launch-Titel einen eher durchwachsenen Eindruck hinterließ. Selbst bei vermeintlichen Highlights wie dem Director’s Cut hat man einen Bock geschossen und sich für die englische Fassung mit dem geschnittenen Schwarzweiß-Intro entschieden – was soll das? Generell finden sich bis auf wenige Ausnahmen lediglich die internationalen Versionen – dabei wird man zwar von holprigen Übersetzungen wie bei Final Fantasy VII oder der miserablen deutschen Lokalisierung von Metal Gear Solid verschont, aber es wäre z.B. ein schöner Service gewesen, mehrere Versionen

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Neben der Konsole finden sich auch zwei Controller sowie ein USB- und HDMI-Kabel im Lieferumfang. Ein AC-Adapter fehlt allerdings. © 4P/Screenshot

anzubieten – und sei es nur für ein paar Lacher. Manche Spiele bieten allerdings von Haus aus eine Sprachauswahl – so z.B. GTA, wo auch deutsche Untertitel und übersetzte Menüs geboten werden. Immerhin: Mittlerweile hat man schon Möglichkeiten entdeckt, wie man andere Spiele mit einer Sideload-Funktion via USB-Stick auf der Mini-Konsole zum Laufen bringen kann, auch wenn man sich beim Abspielen von Sicherheitskopien in eine rechtliche Grauzone begibt.    

Der Zahn der Zeit

Allerdings macht nicht nur die schlechte Emulation vielen Spielen zu schaffen. Es ist auch der Zahn der Zeit, der an ihnen nagt. Während viele 2D-Spiele aus den Achtzigern und Neunzigern auch heute noch eine passable Figur abgeben, altern gerade die frühen 3D-Erlebnisse im Vergleich deutlich schlechter. Das merkt man auch hier: Während man ein Destruction Derby, Toshinden und selbst Syphon Filtern grafisch nur noch in kurzen Dosen erträgt, können die 2D-Ausflüge in Rayman oder Oddworld: Abe’s Oddysee selbst heute noch stundenlang vor den Bildschirm fesseln. Gleiches gilt für zeitlose Kult-Klassiker wie Metal Gear Solid, das trotz der grafischen Einbußen immer noch die Magie ausstrahlt wie damals – zumindest bis zu dem Punkt, an dem man Psycho Mantis trifft und den DualShock-Controller schmerzlich vermisst.