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Shadow of the Colossus (Action-Adventure) – Zeitloses Meisterwerk?

Shadow of the Colossus hat vor zwölf Jahren beeindruckt. Fumito Ueda und Team ICO inszenierten auf der PlayStation 2 ein ästhetisch und spielerisch einzigartiges Abenteuer. Die begehbaren Kolosse verblüfften mit ihrer Level-im-Level-Technik ebenso wie die auf das Wesentliche reduzierte Regie, die viele spätere Entwicklungen beeinflusste. Bluepoint Games und Sony Japan Studio versprachen ein modernisiertes Remake für PlayStation 4, das dem Spielgefühl des Originals treu bleiben sollte. Wie schlägt sich dieser Meilenstein der Videospielgeschichte nach zwei Konsolengenerationen?

© Team Ico / Bluepoint Games / Sony

Idylle & Chaos

Aber irgendwann wird es richtig dunkel, richtig düster. Jedesmal, wenn ihr in die Reichweite eines der Riesen kommt, lässt euch ein kurzer Film die gewaltigen Ausmaße des bevorstehenden Kampfes erahnen: Wenn man vor einem windumtosten Abgrund steht und plötzlich zwei gigantische Pranken links und rechts über die Spalte greifen, während sich langsam der gehörnte Kopf einer Kreatur nach oben schraubt, auf dem ihr locker mehrere Häuser bauen könntet, steigt der Puls. Wenn aus einem scheinbar tiefen See plötzlich eine ebenso stark behaarte wie bemooste Gestalt auftaucht, die Wale zum Frühstück verspeisen würde und der das Nass bei voll aufgerichteter Drohpose nur noch bis ans Knie reicht, rast der Puls.

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Aus der Ferne wirkt er recht klein… © 4P/Screenshot

Dieses Spiel definierte den Begriff „Bosskampf“ völlig neu – und ist damit immer noch einsame Spitze. Da steht kein Boss, kein Chef, kein Anführer, sondern ein urtümlicher Titan. Egal ob zwei- oder vierbeinig, mit Schwertern oder Hörnern bewaffnet, schwimmend oder fliegend – macht euch auf Kolosse gefasst, die diesen Namen mit jeder Polygonfaser verdienen. Jeder hat seine eigenen Stärken und Schwächen, jeder muss auf eine bestimmte Art besiegt werden – manchmal führen allerdings auch mehrere Wege zu den blau leuchtenden Wundpunkten. Das Team von Fumeto Ueda hat auch dafür gesorgt, dass ihr die Umgebung klug in die Kämpfe einbeziehen müsst: Mal wirft die Wucht eines Geysirs die Riesen um, mal müsst ihr einstürzende Säulen nutzen, mal müsst ihr sie gezielt in Abgründe locken oder auf dem Rücken eures Pferdes reitend den idealen Absprungmoment finden.

Dabei gilt es immer, einen Weg auf den Riesen zu finden. Ist man erstmal drauf, wird es einfacher, auch wenn es nicht so scheint: Die Kolosse brüllen vor Wut, während sie sich kraftvoll schütteln, nach euch schlagen oder mit ihren riesigen Füßen trampeln. Man muss geduldig Schwächen suchen, rechtzeitig in die Knie gehen, um wieder Kraft zu schöpfen oder sich nach einem Abwurf wieder aufrappeln, um von vorne loszuklettern. Wer zuvor viele blaue Schwänze der Eidechsen verspeist hat, hat mehr Ausdauer zur Verfügung und damit Vorteile. Aber selbst wenn man die verwundbaren Stellen erreicht hat, muss man seine Stiche gut timen: Langes Ausholen macht sie kräftiger, kostet aber auch wertvolle Zeit – das gilt auch für den Bogen.  Die Reste gefallener Kolosse bleiben übrigens wie Ruinen am Ort des Kampfes zurück. Wenn ihr diese Orte aufsucht

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Meist werden die Kolosse von kleinen Filmen eingeleitet. © 4P/Screenshot

und meditiert, könnt ihr das Duell noch mal erleben – auf Zeit mit der Aussicht auf neue Kleidung wie Masken, Waffen oder Gegenstände.

Sinfonie & Erdbeben


Mir hat gerade diese Ruhe vor dem nächsten Sturm gefallen, weil der Spielrhythmus davon profitiert. Er erinnert an die symphonischen Dichtungen des finnischen Komponisten Jean Sibelius: Lange Phasen der Stille, in denen man nur den Wind rauschen oder wehmütige Akkorde hört, wechseln sich mit brachialen Paukenschlägen ab, die die Erde erzittern lassen. Das ist wesentlich angenehmer als in ICO, wo die unregelmäßigen Kämpfe gegen die Schatten hier und da für eintönige, sich wiederholende Action gesorgt haben.

Und aus erzählerischer Sicht ergibt das auch Sinn: Man bewegt sich in einem heiligen Land, an einem mystischen Ort, an dem Menschen nichts zu suchen haben und erforscht ein unbewohntes Gebiet mit verlassenen Ruinen und Katakomben. In der Mitte des Spiels macht sich vielleicht eine gewisse erzählerische Leere breit, weil man keine Dialoge, keine Zwischensequenzen erlebt. Man muss sich lange Zeit selbst einen Reim auf die Welt machen. Und ihr habt zunächst nur einen Gesprächspartner: Die göttliche Stimme im Tempel, die euch erste Hinweise auf den nächsten Koloss oder wertvolle Tipps während der Kämpfe gibt. Die spricht übrigens in einer fremden Sprache zu euch, die lediglich auf Deutsch untertitelt wird, was den Reiz dieser Welt nur noch erhöht.

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Wer an den Schreinen betet, stellt seine Lebensenergie wieder her. © 4P/Screenshot


Was gefällt nicht so gut?

Bei aller Euphorie gibt es lediglich kleinere Defizite. Da ist zum einen das etwas zu saubere Gesicht des jungen Helden, das fast an Porzellan erinnert – dabei hat er doch eine weite Reise zu Pferd sowie Stresss hinter sich. Hier hätte man durchaus etwas Schmutz, Schweiß und Anspannung in seine makellose Mimik bringen können. Da ist zum anderen die Steuerung, die zwar

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Dieser Koloss hat Angst vor Feuer und lässt sich in einen Abgrund treiben. © 4P/Screenshot

von den neuen Optionen sowie modernen Ergänzungen profitiert, aber die immer noch die seit ICO bekannte und auch in The Last Guardian zu beobachtende Sprunghaftigkeit besitzt. Auch wenn man die Perspektive bequemer wechseln und das Tempo des Jungen über den Analogstick dosiert forcieren kann, wirken manche Bewegungsänderungen recht hektisch und sprunghaft. Zwar sprachen Bluepoint und Sony Japan im Vorfeld davon, sich steuerungstechnisch an Uncharted & Co zu orientieren, aber davon ist beim Springen und Klettern wenig zu merken.

Das wirkt sich allerdings nicht negativ auf das Spielerlebnis aus, zumal selbiges von neuen Kameraperspektiven profitiert, so dass man bei Wahl der „modernen“ Steuerung die Kolosse auch schon vor dem Kampf in seinen Blick bringen kann, damit man in etwa

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Man hat die Wahl zwischen klassischer und moderner Steuerung in jeweils zwei Varianten. © 4P/Screenshot

weiß, wo sie sich befinden. Außerdem kann man sowohl die Ziel- als auch Kameraempfindlichkeit modifizieren. Ich finde das etwas Träge in den Bewegungen sogar gut, denn so bleibt man nicht nur dichter am Original, sondern macht aus dem Jungen keinen modernen Akrobaten. Und man darf nicht vergessen, dass die Kamera auch eine große Stärke hat: Ihr könnt die Kolosse beim Kampf selbst im vollen Galopp fixieren, so dass ihr sie selbst beim Bogenschießen präzise hinter euch immer im Blick habt. Dadurch entstehen unheimlich intensive Verfolgungs- und Kampfszenen, in denen euch die Riesen gefährlich nahe auf den Pelz rücken. Auch das Zielen ist angenem punktgenau, so dass ihr wie erwähnt Eidechsen den Schwanz wegschießen könnt, ohne sie zu töten.

  1. Mit so einer Steuerung macht es keinen Spaß es zu spielen. Ein typischer Fall von sehr gut aufgehüpscht, an sich spielerisch sehr gut, aber eine katastrophale Steuerung - ziemlich buggie.
    Hat mit dieser Steuerung nicht diese Bewertung verdient; absolut nicht:

  2. Ich habe das Remake gerade die Tage auch zum ersten Mal gespielt. Das Original kannte ich zwar namentlich und wusste, dass es schon damals von vielen absolut gefeiert wurde, gespielt habe ich das Original mangels einer PS2 oder 3 aber nie.
    Bei mir fällt also jeglicher Nostalgiefaktor weg und ich muss sagen: Nachdem ich es jetzt durchgespielt habe, bin ich hin- und hergerissen. Mehr als einmal habe ich mir beim Spielen gedacht: Wundervolles Kunstwerk, aber schlechtes Spiel!
    Wobei schlecht hier natürlich überspitzt ist, aber ich muss tatsächlich sagen, dass ich es auch nicht wirklich gut fand.
    Klar, die Atmosphäre ist besonders, allerdings empfand ich sie als nicht so herausragend, wie sie im Vorfeld oft beschrieben wurde. Klar, das Remake kann mit einer guten Grafik und wunderschönen Panoramen aufwarten. Aber auch das ist für mich im Jahr 2020 nichts, was mich nachhaltig und längerfristig beeindruckt. Das gestehe ich dem Spiel aber alles noch zu.
    Wirklich negativ überrascht hat mich aber die schiere Monotonie und Langatmigkeit des oft gepriesenen minimalistischen Spieldesigns. Man macht ja wirklich nichts anderes, als von einem Koloss zum nächsten zu reiten um sie dann jeweils zu erlegen. Die Welt ist pure Kulisse, es gibt dort (abgesehen von dem bisschen Sammelkram mit Früchten und Eidechsen) nichts zu tun, zu erleben oder zu entdecken. Sie bietet einfach nur ein paar schöne Panoramen auf dem Weg zum nächsten Koloss und soll natürlich Atmosphäre vermitteln. Ich bin aber, nachdem ich mich daran satt gesehen hatte, nur noch mit dem steuerungstechnisch manchmal etwas störrischen Pferd möglichst schnell zum nächsten Gegner geritten, um das Ganze zu beschleunigen. Die Steuerung empfand ich sowieso allgemein relativ träge, teilweise störrisch und oft nicht wirklich responsiv. Auch wenn Sie wahrscheinlich noch besser funktioniert als beim Original.
    Die Kämpfe gegen die Kolosse empfand ich dann am Anfang auch recht schnell als ziemlich eintönig, da sie immer relativ ähnlich...

  3. 4P_1403456628_7130A hat geschrieben: 30.06.2020 13:56 Würde mich mal über nen Testbericht oder eine Zweitmeinung von jemandem freuen, der das Spiel NICHT zu PS2 Zeiten gespielt hat.
    Wenn auch nicht gleich ein Test und vermutlich auch etwas zu spät, aber damit kann ich dienen.
    Gestern Abend hatte ich seit langem wieder Mal den TV für mich alleine, also schnell die PS4 angehängt und den Store durchstöbere. Zufälligerweise Shadows of the Colossus gesehen für knapp 10.--
    Hab mir gedacht, das sei ja so ein Eposdings, also mal runtergeladen. Ich hatte damals keine PS2 und hatte im Gedächtnis, dass der Jörg das mal so gelobt hatte.
    (Aus der Vergangenheit hatte ich übrigens wenig gelernt, denn Uedas anderes Spiel auf der PS4 mit dem fliegenden Köter fand ich echt gruselig, der machte nie was man wollte und die Kamera war grauenvoll...)
    Nun den, das Ding gestartet und es passiert.... gar nichts...
    Bis ich endlich die lahme Einstiegssequenz überstanden habe, war ich beinahe schon eingepennt.
    Als ich dann doch mal irgendwann spielen durfte, wunderte ich mich über die schreckliche Steuerung zu Pferd. Der Gaul bleibt ja überall hängen, dazu noch die schlimme, schlimme Kamera, die bei mir beinahe Übelkeit verursacht.
    Ist definitiv kein Spiel für mich, die Kämpfe (kam gestern bis zum 6. Gegner) sind ja inszenatorisch toll gemacht, aber spielerisch ziemlich gleichförmig.
    Und dazwischen ist das Spiel einfach nur langatmig. Reite von A nach B, schau dir dabei noch die Panoramen an, die ja wirklich hübsch sind.... Aber wenn ich wandern will, geh ich raus oder spiele Death Stranding, hier will ich aber spielen. Das "Spielen" beschränkt sich dann aber auf "Dreieck hämmern" und den Gaul mehr oder weniger zu steue... Oh, schon wieder an einem Fels hängen geblieben...
    Mir ist bewusst, dass ich das Spiel vermutlich falsch spiele. Vermutlich müsste ich an jeder Ecke stehen bleiben und mich umschauen: "Ui, schau mal, eine grosse Brücke", "Ui, schau mal, ein Wald mit hunderten Bäumen, an...

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