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The Walking Dead: Episode 5 (Adventure) – The Walking Dead: Episode 5

Im April dieses Jahres wagte sich Telltale Games an ein Abenteuer über fünf Teile. Meine Skepsis war groß. Ich las Kirkmans eindringliche Graphic Novel seit dem ersten Band und fragte mich: Wie wollen die Entwickler, die bisher mit witzigen bis albernen Point&Clicks unterhielten, das Grauen einer Zombiewelt inszenieren? Werden sie es verharmlosen? Und wie wollen sie Entscheidungen mit Konsequenzen durchziehen? Mit The Walking Dead: Episode 5 werden viele Fragen beantwortet.

© Telltale / Telltale

Hart an der Schmerzgrenze

Ein Drahtseilakt: Wer geht vor und hält die provisorische Brücke?
Ein Drahtseilakt: Wer geht vor und hält die provisorische Brücke? © 4P/Screenshot

Ich habe in keiner Episode so viele Schädel gespalten. Klar geht es da um Trial&Error, aber auch diese brutalen Nahkampfszenen mit Lee verdeutlichen die Entwicklung, die ein ehemaliger Lehrer mittlerweile genommen hat, wenn er wie ein Berserker mit dem Hackebeil durch Zombies pflügt, bis Blut und Gehirne spritzen. Das ist aber keine Action zum Selbstzweck, sondern der letzte Ausweg für einen Mann, der nur noch ein Ziel hat: Clementine retten. Die Situation erlebt man nicht in irgendeiner martialischen Allmacht als cool, sondern unheimlich bedrückend.

Telltale geht aber im wahrsten Sinne des Wortes an die Schmerzgrenze, was die explizite Darstellung angeht – und das ist in diesem Fall gut so: Ich habe in einer Szene wegsehen müssen, musste aktiv in mehreren Schritten den Ekel überwinden. Zwar sind die Entwickler noch nicht auf par mit den expliziten Gewaltorgien der Comicvorlage, die für die Dramaturgie auch nicht wichtig sind, aber was die Gnadenlosigkeit angeht, sind sie mittlerweile auf par. Noch stärker als blutige Zwischenfälle wirken ohnehin die traurigen Momente nach, die die Gruppe ereilen. Hier werden alle Beziehungen nochmal auf die Probe gestellt: Vor allem aber jene zwischen Lee und Kenny, zwischen Kenny und Ben.

Der Tod war immer und überall in den Episoden, aber hier lässt Telltale der Sense mit hohem Bodycount auf allen Seiten freien Lauf. Es gibt keine Kompromisse, keine Rettung ex machina, nur noch Kampf und Tod, Tränen und Verzweiflung.  Aber nicht so, dass das Abenteuer nicht diesen einen wichtigen Funken Hoffnung scheinen ließe, nicht so deprimierend, dass man komplett aufgeben wollte – bis zum Schluss lässt die Story noch

Das Finale des Abenteuers bringt Lee an die Schmerzgrenze - er muss alles riskieren, um Clementine zu retten.
Das Finale des Abenteuers bringt Lee an die Schmerzgrenze – er muss alles riskieren, um Clementine zu retten. © 4P/Screenshot

Schlupfwinkel; auch für Lee. In einer unheimlich ergreifenden Szene wird klar, was die Menschheit verlieren kann, wenn sie die Hoffnung aufgibt.

Kleiner Rückblick

Nein, Telltale Games konnte und kann auch mit diesem Finale nicht alle Erwartungen erfüllen. Zum einen, was den Einfluss des Spielers angeht: Während der fünf Episoden hat man sich oft gefragt, warum man den Verlauf der Geschichte in wirklich entscheidenden Momenten nicht beeinflussen konnte, warum einem so häufig mehrere Pseudo-Antworten eine Wahl vorgaukelten, wo es doch letztlich nur auf eine Situation hinauslief.  Das war nicht immer so und in diesem fünften Teil werden auch einige vergangene Situationen aufgelöst, aber das hätte man besser lösen können.

Zum anderen, was die Technik angeht: In der nächsten Staffel müssen die Entwickler die akustischen (doppelt gesprochene Sätze) und grafischen Probleme in den Griff kriegen, die in der dritten Episode mit krassen Bugs ihren Höhepunkt erreichten. Es kann nicht sein, dass ein Adventure, das in so begrenzten Arealen mit so wenig Polygonpower spielt, diese Schwächen zeigt – wenn schon Comicartdesign ohne offene Welt, dann muss das auch sauber auf allen Systemen flutschen. Aber bei aller Kritik hat mich The Walking Dead über fünf Folgen sehr gut unterhalten.