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Wartile (Taktik & Strategie) – Kampf im Diorama

Vor zwei Jahren feierte die ungewöhnliche Echtzeit-Taktik Wartile ihre Premiere auf dem PC. Ungewöhnlich deshalb, weil die dänischen Entwickler zusammen mit Deck 13 das analoge Flair von Tabletop-Schlachten in Dioramen einfangen wollen. Wie sich die bemalten Wikinger für knapp 20 Euro sowie aller DLC auf der Konsole schlagen, verrät der Test.

© Playwood Project / Deck13 Spotlight

Kreativer Ansatz

Ich finde es immer lobenswert, wenn Studios an ihren ungewöhnlichen Ideen festhalten – gerade wenn sie damit Neuland beschreiten. Und die Dänen von Playwood Games haben mich mit ihrem ersten Spiel von Beginn an sehr neugierig gemacht. Das liegt nicht nur daran, dass ich selbst Figuren anmale und mich mit den Nordmännern beschäftige, sondern vor allem am Konzept. Sie verfolgen damit einen hybriden Ansatz: Wie würde es wohl aussehen, wenn man klassische Tabletop-Taktik vom Tisch für den Bildschirm digitalisiert? Wenn sich die Miniaturen also in einem Diorama bewegen und bekämpfen? Und das auch noch in Echtzeit? Vor allem Letzteres hat mich aufhorchen lassen.

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Die Tabletop-Saga beginnt noch recht beschaulich in einem Wikinger-Dorf. © 4P/Screenshot

Denn normalerweise bekämpft man sich in Wargames natürlich rundenweise – und es wäre einfacher gewesen, das genauso digital umzusetzen. Ein XCOM mit Wikingern? Her damit! Aber mit der Echtzeit sowie der Kartentaktik entsteht auch ein frisches Spielgefühl, dazu gibt es auch auf der Konsole am Gamepad eine präzise Steuerung, zumal man auch in den passiven Erkundundungsphasen alle gleichzeitig bewegen kann. Per gedrückterTaste muss man seine Krieger ansonsten im Kampf schnell wegbewegen, wenn der Bogenschütze ihn ins Visier nimmt. Man muss rechtzeitig eine Heilkarte ausspielen, wenn sich die Gesundheit kritisch leert oder sich aus drohenden Umzingelungen befreien – all das gleichzeitig für zwei, drei oder mehr Wikinger in der Gruppe, während weitere Feinde nahen. Man darf also nicht zu lange grübeln, sondern muss schnell handeln, dabei auch die Kamera frühzeitig drehen, um z.B. Treppen & Co zu erkennen.

Abkühltaktik in Echtzeit

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Aber schon bald wird tapfer gekämpft: Die gefüllten roten Kreise zeigen die Lebensenergie der Wikinger an. Man kann jede Figur bewegen, die dann automatisch angreift, sowie Karten für Spezialaktionen wie Heilung etc. ausspielen, wobei eine Abkühlmechanik die Reihenfolge bestimmt. © 4P/Screenshot

Trotzdem gibt es hier kein Hack&Slay-Chaos, zumal über die Zeitlupenfunktion fast ein Rundengefühl entstehen kann, und ein Abkühleffekt bei Freund und Feind aktiv ist: Bewegt man eine Figur oder schlägt sie zu, muss man etwas warten, bevor sie wieder verfügbar ist – dargestellt durch einen sich füllenden Kreis. Währendessen muss man nicht für den Angriff klicken, denn sie attackiert automatisch den nächsten Gegner, wobei das Hauen und Stechen ordentlich, aber nicht gerade spektakulär animiert wird. In dieser Phase kann man lediglich das Ziel wechseln oder wie am Tisch zusätzliche Karten ausspielen, die z.B. heilen, vergiften, Dämonen beschwören oder Fallen platzieren. Allerdings nicht unbegrenzt, denn das kostet Schlachtpunkte, die man u.a. über Kills verdienen muss.

Das Team um Michael Rud Jacobsen, der sieben Jahre bei IO Interactive (Hitman-Reihe) gearbeitet hat, ahmt dabei inklusive Basen den Stil bemalter Miniaturen nach. Man bewegt sie auf authentisch designten Hexfeld-Schlachtfeldern – vor allem bei den Kamerafahrten vor dem Start einer Mission wirken diese Dioramen mit ihren Wald-, Berg- und Schnee-Szenarien prächtig, obwohl ab und zu etwas zu früh Texturen auftauchen. Dieser Zauber verfliegt zudem etwas, wenn man sich so manches klobig designte Detail seiner Helden anschaut. Man schaltet etwa ein halbes Dutzend Figuren in den fünf Klassen Krieger, Speerkämpfer, Bogenschütze, Barbar und Schamane frei. Sie verfügen über Werte für Gesundheit, Bewegung, Schaden, Angriff, Rüstung und Verteidigung sowie exklusive Fähigkeiten in Form von Karten.

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Auch Höhlen, Tunnel und Gebäude werden erkundet. © 4P/Screenshot

All das gilt es im Gelände zu beachten, hinzu kommen Reichweite, Höhe und Flankierung: Der Speerkämpfer kann über zwei Felder attackieren, man bekommt Verteidigungsboni in erhöhter Position und Angriffsboni, wenn man von hinten zuschlägt. Hinzu kommen zerstörbare Palisaden oder brennbare Zelte, aktivierbare Zugbrücken sowie Respawnpunkte wie Boote und begehbare Höhlen, die sogar für etwas Dungeonflair sorgen. Kleine Missionen wie das Sammeln von Tieren oder Artefakten lockern die Gefechte ebenso auf wie plötzliche Hinterhalte oder Schleichaufträge, in denen man seine Route sowie Aktionen gut abwägen muss, wenn man keinen Alarm auslösen will. Schade ist allerdings, dass es keinerlei Anzeige für Sichtlinien gibt: So muss man selbst abschätzen, wann die Feinde alarmiert werden, was leider nicht immer konsequent wirkt. Hat man sich erstmal effiziente Positionen eingeprägt, entsteht recht schnell eine Drag&Drop-Routine: Krieger nach vorne, Speerkämpfer ein Feld dahinter, Bogenschütze wiederum dahinter. Die wird jedoch immer wieder durch die recht aufmerksame KI aufgebrochen: Sie umgeht auch schonmal Fallen oder sucht direkte kurze Wege, um viel Schaden zu verursachen. Man kann sich nie sicher sein! Trotzdem musste ich beim Spielen immer daran denken, was man alles kampfmechanisch aus dem Szenario rausholen könnte, wenn man es eher à la XCOM inszenieren würde: Man könnte bestimmte Körperteile anvisieren, mit verschiedenen Haltungen, Kontern oder kooperativen Manövern agieren…

Schwache Regie, spartanische Menüs

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Die Präsentation ist solide, aber lässt einige Wünsche offen. © 4P/Screenshot

…warum habe ich bisher so wenig über die Story erzählt? Es gibt zwar eine Kampagne, die inklusive nordischer Mythologie in die Welt der Wikinger entführt, auch die Angelsachsen sind auf der großen Nordseekarte natürlich dabei, aber erzählerisch ist das alles sehr dünn und kein Vergleich zur epischen Erzählweise oder gar dem Charakteraufbau eines The Banner Saga. Es fehlt auch die rein atmosphärische Sogkraft, die ein Darkest Dungeon über Stimme und Artdesign aufbaut. Immerhin gibt es einen Sprecher, aber der führt lediglich kurz auf Englisch in die Szenarien ein. Man wird eher lexikonartig mit alten Göttern und Wesen wie Odin, Hel, Mimir & Co vertraut gemacht, während man Mission um Mission spielt, ohne sich dabei mit den Helden zu identifizieren. Dabei tragen die Figuren Namen und sammeln natürlich Erfahrung, schalten weitere Karten für den recht simplen Deckbau frei und können hinsichtlich der Waffen und Rüstungen sowie Fähigkeiten individualisiert werden. Aber auch dieses Charaktermanagement wirkt eher spartanisch und mit den Tolen etwas unbeholfen.

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Das Artdesign der Waffen und Figuren ist eher bieder. © 4P/Screenshot

Konnten die Dioramen noch für einen gewissen Wow-Effekt sorgen, hinterlässt das Artdesign manchmal einen biederen Eindruck: Die Waffen, Schilde etc. wirken in der Auslage alles andere als prächtig; auch die eigenen Helden sehen zwar ganz okay aus, aber zeigen zu wenig Details hinsichtlich Mimik, Schatten, Farben etc.  – und das dürfte gerade leidenschaftliche Miniaturenbemaler stören, denen es ja um feine Pinselstriche und Facetten geht. Schade auch, dass man die Figuren nicht über einen Editor selbst individualisieren kann. Trotzdem: Mir gefällt dieser Ansatz wesentlich besser als das mittlerweile eingestellte Might & Magic Showdown, weil es die Faszination dieses Hobbys zumindest einfangen kann.

  1. Es ging mir um das Waffendesign, nicht um die Waffengattungen. Und jup, da sind einige authentische dabei. Aber selbst die nüchternen Dänen mussten bei Hel & Co ein wenig fantasieren. Is aber auch nich schlimm, das ist letztlich ein Fantasy-Abenteuer im nordischen Szenario.;)

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