Viele von euch haben in den letzten Wochen über nichts anderes gesprochen – einige Glückliche haben dieses Leseticket ergattert. Es geht ja auch um nicht weniger als die Meisterschaft nach den Regeln der Ludologie und Etymologie. Nach all den Jahren des Wartens wird endlich Tacheles geredet.
Schließlich gibt es da draußen nicht nur amtlich benannte E-Sportler, sondern all die Millionen begeisterter…ähm, ja was eigentlich? Wie bezeichnet ihr euch? Als Spieler oder Gamer? Als Zocker, als Player, als Videospieler? Oder gar Gambler? Bildschirmakrobat? Hoffentlich nicht Daddler? Oder etwa Nerd? Zwei von diesen Bezeichnungen haben es jedenfalls ins Finale geschafft. Und in den nächsten Minuten wird in einem fairen Zweikampf entschieden, welches Wort zwischen Nordsee und Alpen das stärkere ist.
Die ganze Welt schaut zu: Im Publikum sitzen der rotwelsche Zocker, der französische Joueur, der italienische Giocatore, der türkische Oyuncu, der polnische Gracz, der isländische Spilari. Aus Japan sieht man zwei Plakate mit Gemu und Asobi. Selbst die Elben sind mit Tyalie und Telien vertreten. Aber jetzt geht es los:
In der linken Ecke der jungdynamische Herausforderer, mit Wurzeln in England und Amerika – frisch rasiert, angelsächsisch smart, modern ausgerüstet: der Gamer. Die meisten Experten sind sich einig, dass er diesen Kampf souverän gewinnen wird. Immerhin hat er in den letzten Jahren unsere Sprache geprägt, dazu den Messen in Leipzig und Köln sowie dem Branchenverband seinen Namen geliehen. Er dominiert selbst an deutschen Universitäten. Und er wird genannt, wenn es um staatliche Förderungen geht – selbst Ü60-Politiker benutzen ihn, sogar Arbeitsplätze hängen an ihm. Damit hat er die Argumente eines Totschlägers!
In der rechten Ecke der etwas angegraute Landesmeister aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – urwüchsig unrasiert, teutonisch versunken, familiär und bieder: der Spieler. Er gilt als Außenseiter, als Generalist für Analoges und Digitales, obwohl er immer noch der sprachgeschichtliche Meister ist und mit der SPIEL in Essen weltweit einen Ruf genießt, an den die gamescom nicht rankommt. Seinen letzten Kampf gegen den von Sony gesponserten Player hat er allerdings nur ganz knapp gewonnen. Auf YouTube will ihn auch fast keiner mehr aussprechen. Seine langen Wortzusammensetzungen gelten im Zeitalter der knackig kurzen Akronyme und Nicknames als veraltet…
Aber ist seine Ära wirklich abgelaufen?
Spieler vs. Gamer – fight!
Ring frei, für Runde 1:
Der Anglizismus legt sofort los, tänzelt elegant um den tapsigen Spieler. Dann feuert er einige Jabs ab: Games, Gaming, gamescom – alles Treffer! Er bleibt im Vorwärtsgang, wirkt fitter und durch die Publicity der letzten Jahre austrainierter. Er hat Millionen Follower auf YouTube, Instagram und Facebook, die ihn abgöttisch liken.
Ring frei, für Runde 2:
Kaum ertönt der Gong, klingelt es wieder: Gamedesign, GameStop, GamePass, danach ein verdecktes GoG – wow, was für eine Technik, was für ein Repertoire! Alles so aktuell, cool und schnell. Der ältere Spieler ist eindeutig überfordert, hat schon einen Cut über dem linken Auge und noch keinen Treffer gelandet. Wird das ein früher Knockout?
Ring frei, für Runde 3:
Der Spieler weiß, dass er was tun muss, aber geht es falsch und zu verkopft an. Er versucht es mit wilden Hieben wie Glücksspiel, Spielsucht, Spielkind, gerät dabei plump ins Stolpern und wird von einem akademischen Game-Studies-Konter böse getroffen. Er geht zu Boden wie eine Eiche – das tat weh!
Aber der Spieler gibt nicht auf, seine große Stärke ist die Substanz. Er ist als spil immerhin seit dem 9. Jahrhundert im Althochdeutschen dabei, selbst die Wikinger kannten das Verb spille. Damit hat er eine längere Tradition als das Altenglische gamen. Und in seiner Wortbedeutung steckt doch auch der unbeschwerte Tanz, wenn er sich nur erinnern würde…
Ring frei, für Runde 4:
Der Spieler versucht sich seiner Stärken zu besinnen, setzt auf einfache Geraden: Brettspiel, Spielfigur, Spielverlagerung – das sieht schon besser aus, aber wirkt doch recht behäbig. Der Gamer weicht lächelnd aus, lässt fast beiläufig ein Boardgame und das gefürchtete Gameplay fliegen – beide treffen! Das sieht übel aus für den Lokalmatador, der jetzt benommen wirkt und deutlich hinten liegt.
Ring frei, für Runde 5:
Der Spieler versteckt sich verzweifelt hinter seiner Deckung. Was soll er bloß machen? Wie will man die Dynamik der Sprache aufhalten? Der Gamer ist siegesgewiss, ignoriert ihn schon und kokettiert sogar mit dem Publikum wie ein Wrestler: Er will die gegnerischen Fans tatsächlich mit Gamification bespaßen – ein riskantes Manöver, nicht jeder mag diese penetrante Art. Jetzt funkelt auch etwas in den Augen des Spielers. Ist es Trotz? Oder Wut? Gar der furor teutonicus? Er packt jedenfalls einen harten Haken aus: Spielkultur! Wumms, der hat gesessen! Das Publikum jubelt – jetzt hört man zum ersten Mal laute Sprechchöre für den Spieler. Sichtlich beflügelt setzt er direkt nach, mit zwei kompetenten Geraden namens Spielspaß und Spielzeit. Beides direkte Treffer! Zum ersten Mal taumelt der Gamer! Aber der Gong rettet ihn…
Ring frei, für die letzte Runde 6:
Der Gamer wirkt nicht mehr ganz so frisch, versucht es mit einem unkonventionellen, schlampig ausgeführten Gamen als Verb – das Unwort kommt hier gar nicht gut an, die Fans buhen. Irgendwo gibt es scheinbar auch für Anglizismen geschmackliche Grenzen. Aber der Spieler hat selbst kaum noch Ideen, er verhaspelt sich in einen diffusen Spieltag, gefolgt von einem kantigen Spieltisch – alles daneben. Der Spieler hadert, er grübelt, ihm fällt nichts ein. Sein Blick scheint abwesend, nach innen gekehrt. Dabei braucht er diesen einen Schlag.
Er braucht ein starkes Wort, eine besondere Assoziation, eine mächtige Verbindung, die ihre Kraft aus dem Zeitgeist zieht und noch cooler ist als der Gamer. Er schaut ins Publikum, erinnert sich an einen alten Film und wie vom Blitz getroffen jagt er auf seinen Gegner zu. Dann lässt er es krachen mit einer: SPIELERIN – die Fans jubeln! Und es reimt sich sogar auf diese Adrian…
Der Gamer schwankt, ist verwirrt, aber improvisiert: Er will mit einer dahin gezischten Gamerin kontern. Aber das Wort zieht nicht, der Schlag verpufft. Er stürzt und will sich wie ein Ertrinkender an den Spieler klammern – doch der weicht tatsächlich spielerisch aus, fast wie ein Schmetterling. In diesem letzten Moment kann er also wieder tanzen, sich seiner uralten Wortbedeutung bewusst werden.
Kurze Zeit ist es totenstill in der Halle.
Dann spricht der Schiedsrichter:
Game Over.
Jörg Luibl
Chefredakteur