Platz 2: Balatro
Selten war die Faszination eines Spiels so schwer zu verstehen, wenn man es nicht selbst erlebt hat: Was bitte soll an einem Poker-Roguelike so besonders sein, dass es nicht nur Kritiker*innen und Spieler*innen begeistert, sondern sogar gleich drei Game Awards abräumt? Die Antwort ist simpel, aber sie unterstützt die eben erwähnte These: Balatro ist Videospielspaß in seiner reinsten Form, Gameplay geschliffen bis zur Perfektion und in jeglicher Hinsicht absolut frei von überflüssigem Ballast.
Von außen sieht Balatro erst einmal unscheinbar aus und könnte fast einen falschen Eindruck erwecken, denn mit Poker hat das Spielprinzip eigentlich wenig gemein. Zwar werden normale Spielkarten genutzt und klassische Hände wie Flush, Straight oder Full House gelegt, um Chips zu verdienen; doch die treibende Kraft und vor allem die nahezu magische Anziehung des Spiels kommt von den Jokern. Sie sorgen dafür, dass die Zahlen in die Höhe schießen und markieren das Ende der oberflächlichen Gemeinsamkeiten zu Poker.
Denn um die nach und nach steigenden Anforderungen der Boss Blinds zu erfüllen, bedarf es nicht nur modifizierter Karten mit höherem Chips-Einkommen. Es braucht auch Joker mit wahnwitzigen Effekten, um die Zahlen links zum Brennen und eure Augen vor dem Bildschirm zum Leuchten zu bringen: Wiederholtes Triggern der ersten Karte, irrwitzig hohe Multiplikatoren oder besondere Boni auf bestimmte Poker-Hände bringen euch Stück für Stück dem ersehnten Sieg näher.
Das Spielprinzip von Balatro ist denkbar simpel, entfaltet aber trotzdem (oder genau deshalb) eine unfassbare Sogwirkung. Weil jeder Durchgang anders ist, enthüllen sich immer wieder neue Wege, das eigene Deck zu manipulieren und noch mehr Chips einzufahren. Dass das derart fesselt, liegt aber auch am Design des Spiels.
Die hypnotische Hintergrundmusik ist gerade präsent genug, um während des Kartenlegens zu unterhalten, drängt sich aber nie in das Rampenlicht und lässt dafür die ungemein befriedigenden Soundeffekte glänzen, wenn nach jeder gespielten Hand die Chips gezählt und die Joker aktiviert werden.
Das Gefühl, derart mächtige Kombinationen zu entdecken, dass die aktuelle Hürde um das Zehnfache geknackt wird, ist unbeschreiblich – und nicht nur von Solo-Entwickler LocalThunk einkalkuliert, sondern in die Seele des Spiels eingewebt. Alles in Balatro ist darauf ausgelegt, ausgetrickst und gebrochen zu werden: Bis die Joker wie eine Rube-Goldberg-Maschine rattern und immer wieder neu getriggerte Karten eine endorphinausschüttende Soundexplosion auslösen.
Dazu kommen Tarot- und Planeten-Karten, verschiede Decks, Einsätze und Herausforderungen, die das altbekannte Gameplay immer wieder auf den Kopf stellen und die Karten wortwörtlich neu mischen. Dank all dieser Komponenten enthält Balatro die besten Eigenschaften eines Roguelikes: Zum einen das Potenzial, über hunderte von Stunden zu faszinieren. Und zum anderen der Drang nach „nur noch einem Run“, der euch dann wieder mal bis tief in die Nacht vor den Bildschirm bannt.